Ueber Gott und die Welt
aussetzt. Aber am Ende des Diskurses muss ich für mich entscheiden. Diese Entscheidung kann ich nicht noch einmal zum Gegenstand eines Dialogs machen. Der Spirale des endlosen, ergebnislosen Diskurses muss auch die Philosophie entkommen. Sie muss sich entscheiden.
Hatten Sie diesen Gedanken schon als Student?
Das Thema Entscheidung beschäftigte mich schon sehr früh. Am Anfang des Studiums las ich die Tagebücher Sören Kierkegaards, die Theodor Haecker übersetzt hatte. Ohne vonLehrern darauf hingewiesen worden zu sein, hat mich die Lektüre der Werke Kierkegaards nicht mehr losgelassen. Auch dessen theologische Argumentation und die sich daran anschließenden Debatten über den wahren Kern des Christentums haben mich stark beeinflusst. Ich weiß noch, wie mich das Buch des Theologen Karl Barth, »Der Römerbrief«, so beschäftigte, dass ich eine Woche lang keine Vorlesung besuchte. Zwei Begriffe bedeuteten für mich damals sehr viel: Entscheidung und Existenz. Es waren die Schlüsselbegriffe der einschlägigen Diskussionen nach dem Kriegsende 1945.
Wann haben Sie Ihren ersten philosophischen Text geschrieben?
Das war im Herbst 1945. Ich hatte meine Großmutter auf der Schwäbischen Alb besucht und wollte nach Freiburg, um eine Freundin wiederzusehen. Im Zug kontrollierte mich die französische Militärpolizei. Weil mein Visum längst abgelaufen war, forderten sie mich auf, den Zug zu verlassen, und sperrten mich ins Gefängnis von Neustadt im Schwarzwald, wo ich auf Toilettenpapier meinen ersten längeren philosophischen Aufsatz über Ewigkeit und Augenblick schrieb. Leider besitze ich dieses Opus 1 nicht mehr.
KAPITEL 2
STUDIUM IN DER NACHKRIEGSZEIT
Münster, Joachim Ritter und die Folgen
Am Anfang Ihres Studiums 1945 stand für Sie zunächst fest, dass Sie Theologie studieren werden. Was bewog Sie dazu?
Ich wollte Mönch werden. Das war eine von mir lang gehegte Idee. Eintreten wollte ich in das mir seit meiner Kindheit bekannte Kloster St. Joseph in Gerleve. Ich habe auch den damaligen Abt des Klosters besucht und meine Absicht kundgetan. Getreu der Regel des heiligen Benedikt wurde ich abgewiesen. Nach ihr wird jeder, der in ein Kloster aufgenommen werden will, erst einmal mit unfreundlichen Worten weggeschickt und kann erst nach mehrmaligen Anläufen mit der ernsthaften Prüfung seines Ersuchens rechnen.
Übrigens wurde ich, damals 18 Jahre alt, nicht mit brüsken Worten bedacht, dafür aber mit dem Ratschlag, doch erst einmal zu studieren und abzuschließen, dann könne man ja weitersehen. Na ja, das habe ich dann auch getan, bin aber nicht mehr wiedergekommen, um in die Mönchsgemeinschaft aufgenommen zu werden. Das Kloster selbst habe ich weiterhin noch oft besucht.
Warum haben Sie sich für die Universität Münster entschieden?
Weil sie die nächstgelegene war. Ich lebte nach Kriegsende mit meinem Vater in Dorsten, einer Kleinstadt nicht weitentfernt von Münster, wo wir ja auch schon mal in den dreißiger Jahren kurze Zeit gelebt hatten.
Wie sehr fühlten Sie sich damals dem Westfälischen verbunden?
Ehrlich gesagt kaum. Ich habe darunter gelitten, dass ich eigentlich nirgendwo sagen konnte: Hier ist meine Heimat. Ich kann wohl sagen, dies ist mein Vaterland, und das ist für mich auch immer wichtig geblieben.
Eine landsmannschaftliche Prägung, wie sie bei Ihrem Kollegen Hermann Lübbe, einem Ostfriesen aus Aurich, offensichtlich ist, kann man Ihnen also nicht nachsagen.
Nein, wiewohl mein Vater ein Westfale war, in Sölde bei Dortmund geboren. Sein Vater leitete die dortige Volksschule. Die Eltern meines Vaters stammten von Bauernhöfen aus der Umgebung.
Was man Sozialisation nennt, das hat bei mir eigentlich eher im linksrheinischen Köln stattgefunden, wo ich mich noch am ehesten ein bisschen zu Hause fühlte. Außerdem: Meine Mutter war Schwäbin.
Konnte man denn 1945 im vom Bombenkrieg heimgesuchten Münster überhaupt unter einigermaßen akzeptablen Bedingungen studieren?
Wir mussten erst einmal beim Wiederaufbau helfen und Steine schleppen, sonst wären wir nicht zum Studium zugelassen worden. Das Münsteraner Schloss war das Hauptgebäude der Universität. Aber die Hörsäle, Institutsräume und Bibliotheken waren über die ganze Stadt verstreut.
Trotz dieses provisorischen Zustandes gab es spektakuläre Vorlesungen, so Jost Triers Althochdeutsch-Vorlesung und Benno von Wieses Schiller-Vorlesung. Hermann Volk, derspätere Kardinal und Bischof von Mainz, sprach vor einem
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