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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt
Autoren: Robert Spaemann
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quod significant
. Wie das Kunstwerk – und mehr als dieses – stellt es an den Mitfeiernden Ansprüche, denen man zu genügen hat. Da gibt es keine Unterbrechungen, die von außerrituellen Erfordernissen diktiert sind.

    Welche Bücher haben Sie zum Philosophieren angeregt?
    Schon mit 14 oder 15 Jahren habe ich unter dem Einfluss meines Lehrers die frühen Dialoge Platons gelesen. Dann kamen die Bücher Josef Piepers dazu, die damals eine große Bedeutung für mich besaßen. Verschlungen habe ich Theodor Haeckers »Vergil – Vater des Abendlandes«. Das formulierte für mich eine Gegenwelt.
    Texte von Thomas von Aquin las ich übrigens viel früher als Werke von Augustinus. Die
intentio obliqua
, nach der man Denkprozesse auch historisch, psychologisch und von außen ansieht, war bei mir immer schwach entwickelt. Ich suchte die
intentio recta
, die Beschäftigung mit den Sachen selbst. Die erste Entdeckung der so genannten Existenzphilosophie verdanke ich einem jungen Mann, jenem Deserteur, der in Uniform bei uns zu Besuch kam und mit dem ich mich stundenlang unterhielt. Er schenkte mir zum Abschied ein kleines Büchlein, das er bei sich trug: Karl Jaspers »Die geistige Situation der Zeit« aus dem Jahr 1932.
    Wollten Sie von Anfang an Philosophie studieren?
    Nein, mein Plan stand lange fest. Ich wollte Theologie in Münster studieren. Das hatte unter anderem auch den Vorteil, dass man in einem Schnellkurs für Kandidaten der Theologie das Abitur ablegen konnte.
    Ab Wintersemester 1945 hörte ich anfangs Vorlesungen in Philosophie. Das war für Theologiestudenten obligatorisch. Das Philosophiestudium war dem der Theologie vorgeschaltet. Obwohl ich mich auf das Philosophiestudium gefreut hatte, langweilte ich mich schnell bei der Neuscholastik, die für Aspiranten der Theologie obligatorisch war. Also besuchte ich auch die philosophischen Vorlesungen – außerhalb der Theologischen Fakultät – bei Gerhard Krüger, der aberschon 1946 nach Tübingen wechselte. Sein Nachfolger war Joachim Ritter.
    Haben Sie sich in jungen Jahren eher als skeptische oder mehr als dogmatische Natur eingeschätzt?
    Wie ich mich selbst einschätzte, weiß ich gar nicht. Aber ich habe in meinem Tagebuch aus dem Jahr 1942 eine Betrachtung über mich selbst gefunden, zwei, drei Seiten lang, reichlich pubertär und pathetisch, voller Abscheu über meinen schlechten Charakter.
    Aber zu Ihrer Frage. Erst jetzt, im Rückblick, ist mir deutlich geworden, dass ich vom Naturell her immer ein Skeptiker war – bis auf den heutigen Tag. Dem scheint zu widersprechen, dass ich manchmal ziemlich apodiktisch rede und man mich eher als Dogmatiker wahrnimmt. Aber mein Grundhabitus ist ein skeptischer. Apodiktische Behauptungen dienen oft dazu, die möglichen Einwände zu provozieren. Ein Dialog, in dem niemand etwas behauptet, ist kein guter Dialog, der die Erkenntnis fördert.
    Aber auch Skepsis ist für mich kein Ruhekissen. Man muss auch Zweifel in den Zweifel setzen, schreibt Hegel. Widerspruchsgeist wäre am ehesten ein zutreffendes Charakteristikum. Und mein Widerspruch richtet sich in erster Linie gegen die bestehenden Maßstäbe der Kritik und gegen die anerkannten Kritiker. In meiner Jugend fehlten die großen prägenden Gestalten, die mich für die Philosophie begeistert hätten.
    Mein Vater war kein Philosoph, und die Erwachsenen, die ich über ihn kennenlernte, waren Künstler oder Theologen. Dass er 1942 katholischer Priester wurde, hatte mich kurze Zeit bekümmert. Ich fühlte mich, als hätte ich meinen Vater verloren. Der Zustand hielt aber nicht lange an. Was unser Verhältnis zur Philosophie betrifft – mein Vater schuf die Gewohnheit, dass wir uns bei Tisch immer etwas vorlasen, eineZeit lang »Goethes Gespräche mit Eckermann«, dann die »Apologie des Sokrates«. Die Lektüre ging in der Regel in lebhafte Gespräche über.
    Es gab eine Person, die ich in diesem Zusammenhang bereits erwähnt habe: den Philosophen Hans-Eduard Hengstenberg. Er hat sicher auf meine philosophische Entwicklung eingewirkt, wiewohl mir das heute gar nicht mehr so bewusst ist. Ihm verdanke ich die Entdeckung Max Schelers und den Hinweis auf eines von dessen Hauptthemen, das mich später immer wieder beschäftigt hat: die sogenannten Werte.
    In der zweiten Auflage seines Buchs »Der Formalismus in der Ethik und die materielle Wertethik« kritisierte Scheler in den zwanziger Jahren den jüngeren Kollegen Nicolai Hartmann, der seinerseits ein Buch über
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