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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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geht. Denn ein Schaf, dem es gut gegangen ist, schmeckt nach der Schlachtung besser als ein Schaf, das nicht artgerecht leben durfte. Faktisch werden die Schafe am Ende getötet. Aber das gehört nicht zur Definition des Hirten, also zur Hirtenkunst. Den Idealtypus des guten Hirten finden wir im Neuen Testament, wo es heißt: »Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.«
    In der modernen Tierhaltung spielt das Wohl der Tiere von sich aus keine Rolle. Die Sorge um die Tiere muss von außen herangetragen werden, nämlich vom Tierschutz. Der Tierschützer denkt als Teleologe und unterstellt, dass Tiere auch so etwas wie ein Interesse besitzen. Er setzt dem Tierhalter das Limit von außen: Bestimmte Minimalbedingungen für die Haltung der Tiere müssen eingehalten werden. Tierhalter und Tierschützer trennt eine Kluft, ganz anders, als es Sokrates gesehen hat. Auf der einen Seite gibt es den Menschen, der das Wohl der Tiere im Auge hat, der überhaupt die Natur unter einem teleologischen Aspekt betrachtet, und auf der anderen Seite den Menschen, der die Natur allein zu seinem eigenen Interesse beherrschen will.
    Später habe ich dann den Gedanken von den zwei fundamentalen Interessen des Menschen entwickelt: dem Interesse, die Welt zu beherrschen, und dem Interesse, sich in der Welt zu beheimaten. Beides sind legitime Interessen. Der Menschkann nicht überleben ohne ein gewisses Maß an Naturbeherrschung.
    Aber wenn er die ganze Welt entteleologisiert, dann kommt Pascals Wort von dem Schweigen der unendlichen Räume ins Spiel, das den Menschen zutiefst erschreckt. Er sieht sich als einsamen Vagabunden in einem sinnlosen Universum. Dem steht ein anderes Interesse entgegen, das Interesse an Heimat, an Beheimatung. Das heißt, die Dinge sind einerseits Objekte unserer Herrschaft, andererseits sind sie uns ähnlich. Wir sind Lebewesen unter anderen Lebewesen.
    Der Aspekt der Ähnlichkeit aber verschwindet bei Descartes. Er trennt die Welt in den Bereich des Denkens, der
res cogitans
, und in den Bereich der Gegenstände, der Materie, der
res extensa
. Was dabei verlorengeht, ist das Leben. Es kann nicht aufgeteilt werden in Subjektivität und Objektivität; Leben ist die Verbindung von beidem. Leben ist denn auch immer mehr ins Zentrum meiner philosophischen Bemühungen gerückt.
    Hätte Ihr Wiederentdecken der Bedeutung des teleologischen Denkens keine größere Resonanz in den philosophischen und wissenschaftstheoretischen Debatten der letzten 30 Jahre verdient? Und hat Sie das enttäuscht?
    Nein, eigentlich nicht. Das antiteleologische Paradigma ist im Selbstverständnis der modernen Naturwissenschaft so tief verankert, dass ein Buch es nicht einfach zu Fall bringen kann. Es hängt zu viel daran.
    Aber ins Wanken geraten ist es ja bereits seit Langem. Längst haben Biologen bemerkt, dass sie ohne den Gebrauch von Worten wie »um-zu« und »damit« nicht auskommen. Teleologie ist für sie – nach einer Bemerkung von John B. S. Haldane – wie eine Mätresse, ohne die jemand nicht leben kann, mit der er sich aber in der Öffentlichkeit nicht gern sehen lässt.
    Die Biologen haben zur Lösung der Notlage den Begriff »Teleonomie« erfunden und nun sogar Aristoteles als Vertreter dieser Als-ob-Teleologie rehabilitiert. Selbst das Wort »Teleologie« ist von Ernst Mayr wieder hoffähig gemacht worden. Im übrigen habe ich meinerseits Vorbehalte gegen das Wort Teleologie, weil es erfunden wurde, um die Zweckmäßigkeit und die den Menschen ermöglichende Verfassung des Universums zu benennen, also das, was Hegel »äußere Zweckmäßigkeit« nennt. So dass also beispielsweise Flöhe dazu da seien, dass Menschen nicht zu lange schlafen.
    Stoa und Christentum haben dieses Denken befördert, das sich die Welt als eine Maschine vorstellt, deren Teile von einem göttlichen Ingenieur zweckmäßig angeordnet sind. Aber diese Zweckmäßigkeit ist nur eine von außen induzierte. Die Rakete sucht ja nicht wirklich ihr Ziel, sondern ihre Teile wirken mechanisch so aufeinander, als ob die Rakete selbst ein Anliegen hätte, als ob es ihr um etwas ginge.
    Ich halte es hier bescheiden mit Aristoteles, mit der Einschränkung, dass ich so etwas wie »innere Zweckmäßigkeit« nur für Lebendiges in Anspruch nehme. Innere Zielgerichtetheit ist geradezu die Definition von Lebendigkeit.
    Fanden Ihre Vorlesungen an der Münchner Universität Resonanz bei den Studenten? Wie sehen Sie das rückblickend?
    Meine Vorlesungen waren meistens sehr

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