Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber Meereshoehe

Ueber Meereshoehe

Titel: Ueber Meereshoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
Vom Netzwerk:
dass alle Passagiere, die wie sie Pakete und Taschen dabeihatten, auf den Kleinbus zu traten.
    Â»Zentrale! Zur Zentrale!«, rief der Fahrer. Luisa schloss sich den anderen an und stieg mit ihnen ein. Sie hatte sich gerade auf einem der letzten freien Plätze niedergelassen, als ein Vollzugsbeamter, der auch im Wagen saß, sich an sie wandte.
    Â»Müssen Sie nicht zum Sondergefängnis?«
    Â»Ja. Ich habe eine Genehmigung des Richters …«
    Â»Sehen Sie? Hab ich’s mir doch gedacht. Sie müssen aussteigen und den Wagen dort drüben nehmen.« Damit zeigte er auf den Transporter.
    Die Leute in dem Kleinbus drängten sich mittlerweile schon im Mittelgang, viele mit ihren Paketen unter dem Arm, weil kein Platz mehr war, um sie auf dem Boden abzustellen. Luisa erhob sich von dem Sitz, den sie mit Glück, das ihr jetzt nichts mehr nützte, ergattert hatte, und bahnte sich mühsam einen Weg zum Ausgang. Der eingestaubte Iveco-Transporter war bereits angefahren, doch der Beamte aus dem Bus sprang hinaus, rannte ihm nach und rief:
    Â»Halt! Wartet! Da ist noch jemand für das Sondergefängnis!«
    Der Transporter bremste so abrupt, dass die Insassen nach vorne gerissen wurden. Das Paket an die Brust gepresst, lief Luisa herbei. Sie versuchte, vorne einzusteigen, doch der Wagen war zu voll. Sogar auf der Abdeckung über dem Motor saßen zwei Passagiere. Der Beamte, der gerufen hatte, deutete für sie auf die Hecktür. Im hinteren Teil des Wagens saßen die Leute aneinandergedrängt am Boden. Luisa zwängte sich hinein und suchte sich mühsam irgendwo dazwischen einen Platz. Weil sich die Türflügel nun aber nicht mehr schließen ließen, band sie ein Mann mit geübten Handgriffen – man sah, dass er kein Besucher war – und einer Schnur, die dort bereithing, zusammen. Durch die Öffnung, die dazwischen blieb, musste Luisa ihre Beine stecken, die baumelnd aus dem Wagen hingen.
    Paolo hatte sie beobachtet, während sie eingestie gen war und einen Platz gesucht hatte. Er saß auf einer der Bänke, die längs an den Seiten befestigt waren. Luisa und er waren die einzigen Besucher des Sondergefängnisses. Die anderen Fahrgäste waren Vollzugsbeamte, die vom Urlaub zurückkehrten, Arbeitskräfte, Personal der Krankenstation, eine Frau mit einem Säugling sowie ein Mann mit Brille und einem kleinen Koffer. Zu diesem sagte der Fahrer jetzt etwas, wobei er ihn mit »Dottore« ansprach. Dann ließ er den Motor an und fuhr los.
    Von der Mole aus hielt der Transporter auf die Gruppe heller Häuser zu, bog dann aber, bevor er sie erreicht hatte, nach links ab auf die Hauptstraße, die als einzige die Insel der gesamten Länge nach durchzog. Noch ein paar hundert Meter rollte das Fahrzeug ruhig über den Asphalt, dann ein Ruck, noch einer und wieder einer, und alle spürten, dass dies nun so weitergehen würde. Aus der asphaltierten Fahrbahn war eine von Wind und Wasser geformte Schotterstraße geworden, die kurvenreich, ohne die leiseste Andeutung einer Leitplanke, hoch über dem Meer am Abgrund entlangführte. Luisa, hinten zwischen den nur von einer dünnen Schnur zusammengehaltenen Türflügeln, wurde von einer Staubwolke erfasst. Die anderen sahen zu ihr hinüber, mitleidig, vor allem aber mit kaum verhohlener Erleichterung, weil ihnen dieser Platz erspart geblieben war.
    Auch Paolo beobachtete sie. Schon als er Luisa hatte hineinklettern sehen, war ihm sofort der Gedanke gekommen, ihr seinen Platz auf der Bank anzubieten, aber das hatte er nicht mehr rechtzeitig geschafft. Zu schnell war der Transporter wieder losgefahren. Doch als er nun sah, dass sie sich mit einem Taschentuch vor der Nase gegen den Staub schützen musste, der sie umschwebte, versuchte er, sie auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings hätte er bei dem lauten Motor unmittelbar unter ihm schon laut schreien müssen, da mit sie ihn verstand, und vielleicht hätte auch das nicht genügt. So begann er, mit der flachen Hand gegen die Seitenwand des Transporters zu schlagen. Kurz darauf hatte er erreicht, was er bezweckte.
    Â»Was ist denn los?«, rief der Fahrer, indem er sich umdrehte, ohne das Tempo auch nur ein klein wenig zu drosseln, was seine Fahrgäste mit Unruhe regis trierten, denn die Schotterstraße führte jetzt dicht an einer senkrecht zum Meer abfallenden Klippe entlang.
    Â»Können Sie mal einen Moment

Weitere Kostenlose Bücher