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Ueber Meereshoehe

Ueber Meereshoehe

Titel: Ueber Meereshoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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letzter Not den Frontalzusammenstoß mit einer Felswand vermieden hatte. Doch manchmal blieb auch keiner am Leben, der davon hätte erzählen können.
    Luisa stammte aus einer Gebirgsregion, an deren Straßen überall Kreuze, wie sie gerade eines gesehen hatte, aufgestellt waren und die an Menschen erinnern sollten, die häufig sehr jung, häufiger noch betrunken ihr Leben verloren hatten. Deshalb wusste sie, was es bedeutete. Sie bekreuzigte sich und sprach ein kurzes Gebet.
    Eine Tränke aus weißem Stein unter einem jahrhundertealten Feigenbaum. Im Hintergrund das Meer. Ein idyllischer Anblick, der aber trog: Denn schon hinter der Kurve tauchten plötzlich die Umrisse des Hochsicherheitsgefängnisses auf.
    Es handelte sich um ein niedriges, nur eingeschossiges Gebäude, das sich in verschiedene, durch Innenhöfe getrennte Seitenarme verzweigte. Die Fens ter waren mit Lichtschächten verkleidet, aber das Dach mit seinen leuchtend roten Ziegeln erinnerte an ein Bauernhaus; jenseits der Wachtürme glitzerte das Wasser der Meerenge: Alles verstärkte noch den Eindruck immenser Gegensätze, ja des Absurden, den die gesamte Insel ausstrahlte. Hier jedoch weideten keine friedlichen Kühe um das Gebäude herum, und weder sanft blickende Esel oder Hühner waren zu se hen, auch keine Felder, Beete oder Schuppen mit Acker geräten. Wer hier drinnen saß, kam mit Sicherheit nie heraus.
    Die Fahrt endete an einer Schranke, die zu einem Wachhäuschen aus Stahl und Glas gehörte. Ein Mann kam hervor, trat zur Fahrertür und grüßte mit einem Kopfnicken.
    Â»Nur zwei heute«, sagte der Fahrer.
    Der Wachposten nickte wieder.
    Â»Die waren alle letzte Woche hier …« Er blickte zum Wagenfenster hinein.
    Zusammen mit einem jungen Vollzugsbeamten, der vom Urlaub auf dem Festland zurückkam, waren Paolo und Luisa mittlerweile die einzigen Passagiere. Nun, da sich der Transporter geleert hatte, saß Paolo ihr gegenüber auf der anderen Seitenbank. Aber die Fahrt auf dem Fußboden vor der Hecktür hatte ihre Spuren hinterlassen, und seine Hosenbeine waren mit einer Staubschicht überzogen.
    Â»Den Besuchsschein«, forderte der Mann sie auf.
    Paolo hatte das abgestempelte und unterzeichnete Papier bereits in der Hand. Luisa hingegen fand ihren Schein nicht sofort und begann in ihrer Tasche zu kramen. Sie wusste, dass sie ihn nicht vergessen hatte, denn bei der Einschiffung hatte sie ihn bereits vorzeigen müssen. Dennoch wurden ihre Bewegungen immer angespannter. Das Gefühl, bedrängt zu werden, legte sich erstickend wie ein zu schwerer Mantel über sie. Ganz eingenommen von allem, was sich auf der Fahrt ihrem Blick geboten hatte, zunächst auf dem Meer, dann auf der Insel, hatte sie fast vergessen, weshalb sie überhaupt hier war. Oder zumindest war es ihr nicht mehr so gegenwärtig. Sie hatte sogar den Strommasten längs des Weges diesmal keine Beach tung geschenkt, obwohl diese zu den Dingen gehörten, die sie am häufigsten zählte. Die Ankunft vor dem Gefängnis hatte sie dann aus diesem fast kontemplativen Zustand gerissen. Der Wachposten richtete nun den Blick fest auf sie, während sie immer hektischer in ihrer Handtasche wühlte. Als sie den Schein endlich gefunden hatte, überkam sie das Gefühl, einer Gefahr entronnen zu sein, obwohl das Papier, säuberlich gefaltet, genau dort in der Seitentasche steckte, wo sie es die ganze Zeit über aufbewahrt hatte. Sie reichte es dem Mann.
    Er kontrollierte aufmerksam sowohl ihre als auch Paolos Dokumente, prüfte nach, ob die vorgegebenen Zeiten mit dem übereinstimmten, was seine Armbanduhr anzeigte. Luisa schlug das Herz bis zum Hals, und sie begann, die Knöpfe seiner grauen Uniform zu zählen (vier große in der Mitte, vier kleinere auf den aufgenähten Taschen), dann die Fenster in der Wand hinter dem Wachhäuschen. Bei sieben war sie angekommen, als der Wachposten endlich die Besuchsscheine zurückgab und mit einer vagen Geste, mehr an den Transporter als an dessen Fahrer gerichtet, Anweisung gab, die Fahrt fortzusetzen.
    Sie verließen die Straße, die weiter zur Südspitze der Insel führte, passierten auf einer nun asphaltierten Zufahrt die lange Gefängnismauer und erreichten, ihr immer weiter folgend, schließlich die Vorderseite.
    Von hier aus vermittelte das Gefängnis einen völlig anderen Eindruck. Zum Gebäude führte

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