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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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war so’ne Vierhundert-Dollar-Flasche. Hatte keinen Schimmer. Ich wollte bei dir Eindruck machen und da hab ich sie aus dem Keller geholt. Mein Dad ist ausgerastet, als er die leere
Flasche gesehen hat. Jetzt zwingt er mich, Tag und Nacht in der Werkstatt Holz zu sortieren, während er ständig mit seiner Freundin telefoniert. Ich glaub, er hat ganz vergessen, dass ich Französisch spreche.«
    Ich weiß nicht recht, ob ich auf die Vierhundert-Dollar-Flasche oder die Freundin reagieren soll, entscheide mich dann für Letztere. »Seine Freundin?«
    »Egal. Ich musste dich sehen, aber jetzt muss ich zurück, und ich wollte dir das hier geben.« Er holt ein Stück Papier aus seiner Tasche und drückt es mir schnell in die Hand, ehe es klatschnass werden kann.
    Er küsst mich noch einmal. »Okay, ich geh.« Er rührt sich nicht von der Stelle. »Ich will nicht gehen.«
    »Ich will nicht, dass du gehst«, sage ich. Sein Haar ist schwarz und ringelt sich um sein strahlendes Gesicht. Es ist wie mit ihm unter der Dusche zu stehen. Wow – mit ihm unter der Dusche!
    Dann dreht er sich wirklich um und ich merke, dass er die Augen zusammenkneift, als er mir über die Schulter guckt. »Warum ist der immer hier?«
    Ich dreh mich um. Toby steht in der Tür, beobachtet uns – er sieht aus wie von einer Abrissbirne getroffen. Gott. Er ist gar nicht gegangen, er muss mit Grama im Atelier gewesen sein oder so. Er stößt die Tür auf, schnappt sich sein Skateboard und saust ohne ein Wort an uns vorbei, die Schultern vor dem Regen hochgezogen.
    »Was ist hier los?«, fragt Joe und mustert mich mit Röntgenblick. Sein ganzer Körper ist erstarrt.
    »Nichts. Echt nichts«, antworte ich wie bei Sarah. »Er ist
durcheinander wegen Bailey.« Was soll ich ihm sonst sagen? Wenn ich ihm sage, was hier vorgeht, was selbst dann noch passiert ist, nachdem er mich geküsst hat, werde ich ihn verlieren.
    Als er dann sagt: »Bin ich blöd und hab Verfolgungswahn?«, sag ich nur: »Hm.« Und in meinem Kopf höre ich die Worte: Verärgere niemals einen Hornisten.
    Er lächelt mich freundlich wie ein Sonnentag an. »Okay.« Dann küsst er mich noch ein letztes Mal heftig und wieder saugen wir einander den Regen von den Lippen. »Bye, John Lennon.«
    Und weg ist er.
    Ich laufe schnell rein, mache mir Sorgen über das, was Toby zu mir gesagt hat und was ich Joe nicht gesagt habe, während der Regen alle diese wunderschönen Küsse von mir abwäscht.

22. Kapitel
    ICH LIEGE AUF meinem Bett, das Gegenmittel gegen Sorgen aller Art halte ich in meinen Händen, ein vom Regen noch immer feuchtes Notenblatt. Als Überschrift ist in Joes seltsam eckiger Jungshandschrift zu lesen: Für eine empfindsame schöne Klarinettistin von einem unscheinbaren, langweiligen, untalentierten, aber leidenschaftlichen Gitarristen. Teil 1, Teil 2 folgt in Kürze.
    Ich versuche es in meinem Kopf zu hören, aber meine Fähigkeit zu hören, ohne zu spielen, ist furchtbar unterentwickelt. Ich stehe auf, hole meine Klarinette und Augenblicke später ergießt sich die Melodie in den Raum. Während ich spiele, erinnere ich mich wieder, dass er gesagt hat, mein Ton sei so einsam wie ein Tag ohne Vögel, aber die Musik, die er geschrieben hat, ist voller Vögel. Die fliegen aus meiner Klarinette, sie füllt die Luft eines ruhigen Sommertages, füllt Bäume und Himmel – es ist herrlich. Ich spiele die Melodie immer wieder, bis ich sie auswendig kann.
    Es ist zwei Uhr morgens, und wenn ich das Lied noch ein Mal spiele, fallen mir die Finger ab, ich bin aber zu joeliriös
zum Schlafen. Ich gehe nach unten und hole mir was zu essen, als ich danach wieder ins Allerheiligste komme, blendet mich ein so starkes Verlangen, dass ich mir den Mund zuhalten muss, um den Schrei zu ersticken. Ich will, dass Bailey quer auf ihrem Bett liegt und liest. Ich will mit ihr über Joe reden, will ihr dieses Lied vorspielen.
    Ich will meine Schwester wiederhaben.
    Ich will ein Hochhaus auf Gott schleudern.
    Ich atme ein und stoße die Luft mit so viel Kraft wieder aus, dass die orange Farbe von den Wänden gepustet wird.
    Es regnet nicht mehr – die frisch geschrubbte Neuheit der Nacht wälzt sich durchs offene Fenster herein. Ich weiß nicht, was ich machen soll, also gehe ich zu Baileys Schreibtisch und setze mich hin wie sonst auch. Wieder einmal schaue ich mir die Visitenkarte des Detektivs an. Ich habe dran gedacht, ihn anzurufen, hab es aber noch nicht getan, eingepackt hab ich auch noch kein Stück.

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