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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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so verschlossen habe, seit Bailey tot ist.
    »Schon in Ordnung«, sagt sie leise.
    »Das wird jetzt anders«, sage ich in der Hoffnung, dass es wahr ist. »Versprochen.«
    Ich beobachte, wie die Sonne den Fluss umschmeichelt, die grünen Blätter, die nassen Felsen hinter dem Wasserfall. »Willst du schwimmen?«

    »Noch nicht«, sagt sie. »Ich hab Neuigkeiten für dich. Nichts Sensationelles, aber immerhin.« Eindeutig ein Seitenhieb, und den hab ich verdient. Ich hab nicht mal gefragt, wie es ihr geht.
    Sie grinst mich an, ziemlich irre, ehrlich gesagt. »Seit gestern Abend bin ich mit Luke Jacobus zusammen.«
    »Luke?« Ich bin erstaunt. Abgesehen von seinem Fehlgriff vor Kurzem, der ihm den Status eines Orchester-Opfers verliehen hat, liebt er Sarah seit der zweiten Klasse hingebungsvoll, aber unerwidert. König des Nerdiversums hat sie ihn immer genannt. »Hast du mit dem nicht mal in der siebten Klasse rumgemacht und ihn dann fallen gelassen, als dich dieser verblödete Surfer angeglitzert hat?«
    »Ja, wahrscheinlich ist es doof«, sagt sie. »Ich hab mich bereit erklärt, den Text zu dieser unglaublichen Musik zu schreiben, die er komponiert hat, und wir haben miteinander abgehangen, da ist es einfach passiert.«
    »Und was ist aus der Jean-Paul-Sartre-Regel geworden?«
    »Sinn für Humor schlägt Belesenheit, hab ich beschlossen – und bei allen Giraffenherden, Len, der Typ sieht aus wie der Hulk dieser Tage.«
    »Er ist witzig«, pflichte ich ihr bei. »Und grün.«
    Sie lacht, genau da piept mein Handy mit einer SMS. Ich wühle in meiner Tasche und hoffe auf eine Nachricht von Joe.
    Sarah singt: »Lennie kriegt’nen Liebesbrief von Jo-hoe Fontaine«, und versucht über meine Schulter hinweg mitzulesen. »Komm, lass mal sehen.«
    Sie schnappt mir das Telefon weg. Ich zieh es ihr aus der Hand, aber zu spät. Da steht: Ich muss mit dir reden. T .

    »T wie Toby?«, will sie wissen. »Aber ich dachte … also eben hast du noch gesagt … Lennie, was machst du bloß?«
    »Nichts«, sage ich und stopfe das Telefon wieder in meine Tasche. Schon hab ich mein Versprechen gebrochen. »Echt. Nichts.«
    »Warum glaub ich dir nur nicht?«, sagt sie kopfschüttelnd. »Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache.«
    »Nicht nötig«, sage ich und schlucke mein eigenes furchtbares Gefühl runter. »Echt. Ich hab den Verstand verloren, weißt du noch?« Ich berühre sie am Arm. »Komm, wir gehen schwimmen.«
    Eine Stunde lang treiben wir auf dem Rücken im Pool. Ich lass mir alles über ihren Abend mit Luke erzählen, damit ich nicht an Tobys SMS denken muss und was daran so dringend ist. Dann klettern wir zum Wasserfall hoch und stellen uns drunter, dabei schreien wir ein ums andere Mal FUCK ins Getöse, so wie immer seit Kindertagen.
    Ich schreie wie eine Wahnsinnige.

21. Kapitel

    (Gefunden auf einem Briefumschlag unter dem Reifen eines Autos auf der Main Street)

    BIS ICH DANN vom Fluss durch den Wald nach Hause gehe, habe ich beschlossen, dass sich Toby, genau wie ich, ganz furchtbar fühlt wegen des Vorgefallenen, deshalb die Dringlichkeit der SMS. Wahrscheinlich will er nur die Bestätigung, dass so was nie wieder vorkommen wird. Na, da sind wir uns einig. Keine Einwände von dieser armen Vonsinnenen.
    Wolken sind aufgezogen und die Luft ist schwanger von einem seltenen Sommerregen. Ich sehe einen Pappbecher auf dem Boden liegen, setze mich hin und schreibe ein paar Zeilen darauf, danach begrabe ich ihn unter einem Haufen Kiefernnadeln. Dann lege ich mich auf den Rücken auf den weichen Waldboden. Das liebe ich – alles einfach dem ungeheuren Ausmaß des Himmels zu überlassen oder notfalls der Zimmerdecke, wenn ich drinnen bin. Mit ausgestreckten Armen, die Finger in den lehmigen Boden gedrückt, überlege ich, was ich wohl jetzt tun würde, was ich wohl jetzt in diesem Augenblick fühlen würde, wenn Bailey noch am Leben wäre. Mir wird etwas klar, was mir Angst macht: Ich wäre glücklich, aber auf eine gemäßigte Art, ich wäre nicht von Sinnen deswegen. Ich würde schildkrötenartig vor mich hin stapfen, so wie ich immer vor mich hin gestapft bin, gemütlich in meinem Panzer, gesund und munter.
    Doch was, wenn ich jetzt eine panzerlose Schildkröte bin, gleichermaßen von Sinnen wie am Boden zerstört, ein verdammtunglaubliches Chaos von einem Mädchen, das mit ihrer Klarinette die Luft in Farbe verwandeln will und was, wenn mir das irgendwo tief drinnen ganz recht ist so? Was, wenn ich, sosehr ich

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