Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
Vom Netzwerk:
seitenweise Dokumente, finde aber nichts, das mit ihr zu tun haben könnte. Dann gebe ich Paige Dickens ein und lande ein paar Treffer, aber die Dokumente stammen hauptsächlich von Schulmannschaften oder College-Zeitschriften, nichts davon steht in irgendeinem Zusammenhang mit ihr. Ich gehe noch einige Dickens-Kombinationen durch, finde aber nicht den entferntesten Anhaltspunkt.
    Eine Stunde ist vergangen und ich hab erst eine Handvoll Suchen durchgeführt. Ich überfliege all die Seiten davor, die Bailey bearbeitet hat, und frag mich erneut, wann sie all das gemacht hat und wo. Vielleicht im Computerlabor am College, denn wie hätte mir entgehen können, dass sie stundenlang mit verschwommenem Blick vor diesem Computer sitzt? Wieder erschüttert mich, wie dringend sie Mom finden wollte, denn warum hätte sie wohl sonst so viel Zeit dafür geopfert? Was war da im Februar wohl passiert, dass sie auf diesen Trip gebracht hat? Ob es wohl Tobys Heiratsantrag gewesen ist? Vielleicht wollte sie, dass Mom zur Hochzeit kam. Aber Toby hat gesagt, er hätte sie kurz vor ihrem Tod gefragt. Ich muss mit ihm reden.
    Ich geh runter, entschuldige mich bei Grama, sage ihr, dass ich den ganzen Tag schon so aufgewühlt bin, was in letzter Zeit für jeden verdammten Tag zutrifft. Sie schaut mich an, streicht mir übers Haar und sagt: »Schon in Ordnung, kleine Wicke, vielleicht können wir ja morgen mal einen
Spaziergang machen, etwas reden -« Wann kapiert sie das endlich? Ich will nicht mit ihr über Bailey reden und auch sonst nicht.
    Als ich aus dem Haus komme, steht Toby auf einer Leiter und arbeitet am Spalier im Vorgarten. Luftschlangen aus Gold und Pink ziehen quer über den Himmel. Der ganze Garten glüht in der untergehenden Sonne, die Rosen scheinen von innen zu leuchten wie Laternen.
    Er guckt zu mir rüber, stößt dramatisch die Luft aus, dann klettert er langsam von der Leiter und lehnt sich mit vor der Brust verschränkten Armen dagegen. »Wollte mich entschuldigen … schon wieder.« Er seufzt. »In letzter Zeit bin ich nicht ganz dicht.« Forschend schaut er mir in die Augen. »Bist du okay?«
    »Ja, bis auf das nicht ganz Dichte«, sag ich.
    Darüber lächelt er, sein ganzes Gesicht erstrahlt vor Güte und Verständnis. Ich entspanne mich ein bisschen, komme mir schlecht vor, weil ich ihn vor einer Stunde noch enthaupten wollte.
    »Ich hab da so ein Heft in Baileys Schreibtisch gefunden«, erzähle ich ihm, denn ich bin ganz versessen darauf, herauszufinden, ob er irgendwas darüber weiß, und noch versessener darauf, nicht über gestern zu reden oder nachzudenken. »Sieht aus, als hätte sie nach Mom gesucht, aber fieberhaft, Toby, Seite um Seite alle möglichen Pseudonyme, die sie in Suchmaschinen eingegeben haben muss. Sie hat alles versucht, muss rund um die Uhr damit beschäftigt gewesen sein. Keine Ahnung, wo sie das gemacht hat, keine Ahnung, warum sie es gemacht hat …«

    »Weiß ich auch nicht«, sagt er mit etwas zittriger Stimme.
    Er guckt nach unten. Verbirgt er was vor mir?
    »Das Heft ist datiert. Anfang Februar hat sie damit angefangen – ist da was passiert, wovon du weißt?«
    Tobys Knochen lösen sich aus ihren Angeln und er rutscht am Spalier nach unten, lässt den Kopf in die Hände sinken und fängt an zu weinen.
    Was ist hier los?
    Ich beuge mich zu ihm herunter, knie mich vor ihn und lege die Hände auf seine Arme. »Toby«, sage ich sanft. »Schon gut.« Ich streichele sein Haar. Die Angst kribbelt mir an Hals und Armen.
    Er schüttelt den Kopf. »Nichts ist gut.« Er kriegt die Wörter kaum raus. »Das wollte ich dir niemals erzählen.«
    »Was? Was wolltest du mir nicht erzählen?« Meine Stimme klingt schrill, irre.
    »Das macht es schlimmer, Len, und ich wollte nicht, dass es für dich noch schwerer wird.«
    »Was?« Mir stehen sämtliche Haare am Körper zu Berge. Jetzt hab ich wirklich Angst. Was könnte Baileys Tod denn überhaupt noch schlimmer machen?
    Er greift nach meiner Hand und hält sie ganz fest. »Wir hätten ein Baby bekommen.« Ich höre mich nach Luft schnappen. »Sie war schwanger, als sie starb.« Nein, denke ich, das kann nicht sein. »Vielleicht hat sie deswegen nach deiner Mom gesucht. So gegen Ende Februar haben wir es festgestellt.«
    Die Vorstellung löst eine Lawine in mir aus, die an Geschwindigkeit und Volumen gewinnt. Meine andere Hand
ist auf seiner Schulter gelandet, und obwohl ich in sein Gesicht schaue, beobachte ich meine Schwester, die ihr Baby in die

Weitere Kostenlose Bücher