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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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haben wir schon gesprochen.« Er steht an der Bettkante und sieht sich um. »Das ist ja unglaublich, wie kommt das hierher?«
    »Ungefähr eine Meile weiter am Fluss ist ein Gasthaus. In den Sechzigern war das eine Kommune und der Besitzer Sam ist ein alter Hippie. Er hat dieses Waldschlafzimmer für seine Gäste aufgebaut, damit sie beim Wandern hier oben zufällig darauf stoßen, für überraschende Liebesabenteuer, nehme ich an, aber ich hab nie eine Menschenseele vorbeikommen sehen und ich komme hier schon ewig her. Ach ja, einmal hab ich hier jemanden gesehen: Sam, er hat die Bettwäsche gewechselt. Wenn es regnet, deckt er diese Plane drüber. Ich schreibe an diesem Schreibtisch, lese in diesem Schaukelstuhl und liege hier auf diesem Bett und träume vor mich hin. Aber ich war noch nie mit einem Jungen hier.«
    Er lächelt, setzt sich neben mich aufs Bett, wo ich auf dem Rücken liege, und streicht mit den Fingern über meinen Bauch.
    »Was träumst du denn so?«, will er wissen.
    »So was«, sage ich, als seine Hände unter meinem T-Shirt über meine Taille wandern. Mein Atem wird schneller – ich will seine Hände überall spüren.
    »John Lennon, kann ich dich mal was fragen?«
    »Uh-oh, immer wenn Leute so was sagen, kommt als Nächstes was Unangenehmes.«

    »Bist du Jungfrau?«
    »Da haben wir’s – die unangenehme Frage«, murmele ich und könnte im Boden versinken vor Peinlichkeit. Was für ein Stimmungskiller. Ich winde mich unter seiner Hand heraus. »Merkt man das so deutlich?«
    »Irgendwie schon.« Uah. Ich möchte mich unter der Decke verkriechen. Er will einen Rückzieher machen. »Nein, ich meine, ich finde das cool.«
    »Es ist absolut uncool.«
    »Für dich vielleicht, aber nicht für mich, wenn …«
    »Wenn was?« Mein Magen spielt plötzlich verrückt. Ist unruhig.
    Jetzt sieht er aus, als wär’s ihm peinlich – gut so. »Also, wenn du irgendwann, nicht jetzt, aber irgendwann mal keine mehr sein möchtest, dann könnte ich dein Erster sein, und das wäre dann cool, also, für mich, weißt du.« Er guckt so schüchtern und süß, aber was er sagt, macht mir Angst, erregt und überwältigt mich. Ich hab das Gefühl, ich heul gleich los, was ich auch tu, und diesmal weiß nicht mal ich, warum.
    »O, Lennie, tut mir leid, hab ich was so Schlimmes gesagt? Wein doch nicht, ich mach keinen Druck; dich zu küssen, überhaupt irgendwie mit dir zusammen zu sein ist Wahnsinn -«
    »Nein«, sage ich jetzt unter Lachen und Weinen. »Ich weine nur, weil … na ja, ich weiß auch nicht, warum ich weine, aber ich bin glücklich, nicht traurig …«
    Ich greife nach seinem Arm, den Ellenbogen neben meinem Kopf aufgestützt legt er sich neben mich, unsere Körper
berühren sich in ganzer Länge. Die Art, wie er mir in die Augen guckt, bringt mich zum Zittern.
    »Nur in deine Augen schauen …«, flüstert er. »So was hab ich noch nie gefühlt.«
    Ich denke an Geneviève. Er war in sie verliebt, hat er gesagt, heißt das …
    »Ich auch nicht«, sage ich und kann die Tränen nicht am Überlaufen hindern.
    »Nicht weinen.« Seine Stimme ist gewichtslos, Dunst. Er küsst meine Augen, streift sacht meine Lippen.
    Dann sieht er mich an, so nackt, mir wird ganz schwindelig, als müsste ich mich hinlegen, dabei liege ich doch schon. »Ich weiß, so lang ist es noch nicht her, Len, aber ich glaube … ich weiß nicht … ich bin vielleicht …«
    Er muss es nicht aussprechen, ich spüre es auch. Es ist nichts Subtiles, eher so, als ob im Umkreis von Meilen alle Glocken auf einmal läuten, laute, scheppernde, hungrige und winzige, frohe, melodische – alle auf einmal tönen sie in diesem Moment los. Ich schlinge die Arme um seinen Hals, ziehe ihn an mich und dann küsst er mich heftig und mit so einer Tiefe, dass ich fliege, segele, hoch aufsteige …
    Er murmelt mir ins Haar: »Vergiss, was ich vorhin gesagt habe, wir bleiben bei dieser Sache, mehr überlebe ich vielleicht nicht.« Ich lache. Dann springt er auf, packt meine Handgelenke und drückt sie über meinem Kopf runter. »Klar, wer’s glaubt. War bloß ein Witz, ich will alles mit dir machen. Wenn du so weit bist, dann werde ich derjenige sein, versprochen?« Er ist über mir, plinkert mit den Wimpern und grinst wie auf Droge.

    »Das versprech ich«, sage ich.
    »Gut. Bin froh, dass das beschlossen ist.« Er zieht eine Augenbraue hoch. »Ich werde dich entjungfern, John Lennon.«
    »O, Gott, das ist ja so was von peinlich, quel, quel Obertrottel

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