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Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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des Busses gewesen war, aber
genausogut hätte es dessen Schwägerin persönlich gewesen sein können, wenn er
es recht bedachte. Er war so erschöpft gewesen, daß er kaum etwas wahrgenommen
hatte.
    Lange nachdem sich die Autos wieder in
Bewegung gesetzt und die Staus sich aufgelöst hatten, der Strom der Neugierigen
versiegt war und auch die letzten Streitereien darüber, wer wessen Scheinwerfer
angestellt hatte, sich beruhigt hatten, erschien endlich die Polizei von
Lumpkinton auf der Bildfläche. Shandy erinnerte sich verschwommen daran, daß
die beiden Beamten damit gedroht hatten, Henny Horsefall festzunehmen, weil er
angeblich die Polizei ohne triftigen Grund gestört hatte, und daß die Rasenden
Rüpel, die allesamt durch und durch respektable Bürger und Steuerzahler waren,
daraufhin mit ihren riesigen Pferden den Polizeiwagen einkreisten und
erklärten, sie seien durchaus bereit, mit ihren Hengsten alles kurz und klein
zu stampfen, wenn die Männer des Gesetzes es wagen würden, ihrem alten Freund
und Kameraden Henny auch nur ein Haar zu krümmen. Außerdem seien sie sehr daran
interessiert zu erfahren, wo zum Henker die Polizei denn gewesen sei, als man
sie am dringendsten gebraucht habe, und ob die Polizei denn allen Ernstes
glaube, der Gemeinderat werde ihr jetzt noch die Gehaltserhöhung gewähren, auf
die sie offenbar derart scharf sei, nach allem, was sie heute an Einsatzfreude
gezeigt habe? Es werde sicher nicht schaden, sich vor jeder weiteren
Amtshandlung ein paar Gedanken über diese Punkte zu machen. Daraufhin
entsandten die Rüpel eine kleine Reitergruppe, die auf dem schnellsten Weg zum
Haus des Polizeichefs galoppierte, um ihn aufzuwecken und zu fragen, für wen
zum Teufel er sich eigentlich halte, woraufhin sich die Hüter des Gesetzes
entschlossen hatten, sich etwas entgegenkommender zu zeigen.
    Was die Vorbereitungen für den morgendlichen
Ansturm betraf, konnte sich Shandy an nichts erinnern und verspürte auch kein
besonderes Interesse, diesen Zustand zu ändern. Er lag am nächsten Tag — oder
war es noch derselbe Tag? — bis halb zwölf im Bett und wachte erst auf, als
sich Helen mit einem Ausdruck höchster ehelicher Besorgnis über ihn beugte.
    »Peter, Liebling, ist alles in
Ordnung?«
    »Weiß ich noch nicht«, murmelte er,
»küß mich doch, und finde heraus, ob ich reagiere.«
    »Du bist überall so stachelig.«
    Sie küßte ihn trotzdem. »Ich habe es
nicht übers Herz gebracht, dich zu wecken. Ich nehme an, Tim ist auch noch
nicht auf. Das Begräbnis hast du jedenfalls verpaßt.«
    »Meins oder seins?«
    »Das von dem armen Lumpkin natürlich.
Roy ist hingegangen, weil er dachte, sein Vater würde es gern sehen. Er ist
wirklich ein lieber Junge. Oh, apropos Junge, Cronkite Swope liegt im
Krankenhaus.«
    »Was?« Shandy sprang aus dem Bett. »Was
hat er denn?«
    »Er hatte einen Unfall auf dem
Motorrad. Oder besser gesagt, vom Motorrad.«
    »Um Gottes willen, wann denn?«
    »Irgendwann in den frühen
Morgenstunden, glaube ich. Man hat ihn auf der Straße gefunden.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Das weiß ich wirklich nicht, Peter.
Grace Porble hat die Neuigkeit aus dritter Hand von Mrs. Lomax. Jedenfalls
nehme ich an, daß es wie gewöhnlich Mrs. Lomax war.«
    »Wann hast du denn mit Grace Porble
gesprochen?«
    »Etwa um Viertel vor neun. Ich rief an,
um Doktor Porble mitzuteilen, daß ich heute morgen nicht zur Bibliothek kommen
würde, weil du die ganze Nacht weg warst, um Heldentaten zu vollbringen. Er
schäumte regelrecht, weil wir ihn nicht auch gerufen haben.«
    »Was hätte Porble denn gegen diesen Mob
ausrichten können? Den Leuten Websters Großes Wörterbuch über den Schädel
schlagen? Sie mit Fremdwörtern in die Flucht jagen? Jedem unbefugten
Eindringling einen Nickel abknöpfen?«
    »Er hätte sie wütend anfunkeln können.
Seine Blicke können töten. Wenn ein einziger Mann in der Lage ist, mit einem
Blick einen mit Studenten vollgestopften Lesesaal totenstill werden zu lassen,
muß man wohl vor ihm den Hut ziehen. Jetzt rasier’ dir aber bitte erst diese
unattraktiven Stacheln ab, während ich dein Frühstück vorbereite. Oder dein
Mittagessen oder was du sonst möchtest. Was hältst du von Pfannkuchen mit
Würstchen und Bratäpfeln?«
    »Als Vorspeise nicht übel. In welchem
Krankenhaus liegt Swope?«
    »Das fragst du noch? Wir haben doch
kaum Krankenhäuser in dieser Gegend. Natürlich im Hoddersville Allgemeinen.«
    »Gut. Dann kann ihm auch nicht

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