Über Stock und Runenstein
einzige Mensch in Balaclava County, der
noch nicht da war. Ihr hattet eine ganz schön anstrengende Nacht deswegen,
nicht wahr?«
»Es würde mich keineswegs überraschen,
wenn wir auch noch einen ganz schön anstrengenden Tag deswegen hätten«,
erwiderte Shandy. »Zweifellos versucht gerade eine neue Menschenmenge, die
Beerdigung als Vorwand zu benutzen, um über Horsefalls Grundstück herzufallen.
Wir treffen uns also später bei den Horsefalls, wenn ich vom Krankenhaus zurück
bin.«
Er ging nach draußen, holte seinen
Wagen und fuhr zum Krankenhaus. Dank Helens Scharfsinn war er in Swopes Zimmer,
bevor man ihn daran hindern konnte. Der Patient befand sich unter diversen
Pflastern und Verbänden und sah ihn aus verschwollenen Augen überrascht an. Wo
seine Haut noch zu sehen war, waren die Abschürfungen mit Jodtinktur
beschmiert, doch der Reporter war wach und schien relativ guter Dinge.
»Hi, Professor. Wirklich nett, jemanden
zu sehen, der einem keine Nadel in den Körper stechen will.«
»Wie geht’s Ihnen denn, Swope?«
»Angeblich habe ich
Gehirnerschütterung, Schürfwunden, Quetschungen, ein kaputtes Schlüsselbein,
eine Sehnenzerrung im hinteren Sprunggelenk, außerdem ist die brandneue
Polaroidkamera vom All-woechentlichen Gemeinde- und Sprengel-Anzeyger völlig zum Teufel, was mich bestimmt einen Wochenlohn kosten wird. Vom Motorrad
ist leider auch nicht mehr viel übrig, hat man mir gesagt.«
»Wie es aussieht, haben Sie noch Glück
gehabt, daß von Ihnen noch etwas übrig ist. Was ist denn eigentlich passiert?«
»Keine Ahnung. Das letzte, an das ich
mich erinnern kann, ist, daß ich nach Hause zockelte, nicht besonders schnell,
weil ich schon ziemlich fix und foxy war. Außerdem hatte ich meinen Helm nicht
auf.«
»Warum denn nicht?«
Shandy konnte sich noch genau erinnern,
daß Swope eine Kombination aus Schutzbrille, Kinnschützer und einem
türkisfarbenen Kopfpanzer getragen hatte, als er die Rasenden Rüpel auf seinem
Motorrad angeführt hatte.
»Ich konnte ihn nicht mehr finden. Ich
wußte, daß ich ihn vorher bei mir hatte, aber als ich losfahren wollte, war er
nicht mehr am Motorrad befestigt, wo ich ihn sonst immer aufhänge, wenn ich ihn
nicht trage. Ich weiß nicht, ob ich den Helm vielleicht irgendwo anders
hingelegt und dann vergessen habe oder ob irgendein Idiot ihn als Souvenir
mitgenommen hat. Jedenfalls habe ich ein bißchen gesucht, aber ohne Erfolg, und
da dachte ich, was soll’s, und bin ohne das Ding losgefahren. Da fällt mir ein,
wenn Sie zufällig ein Mädchen vom College kennen, das eine Fechtmaske,
Knieschützer und eine gepolsterte Footballjacke trägt und Augen hat, die
aussehen wie tiefe dunkle Seen, wenn Sie wissen, was ich meine, würden Sie
bitte so nett sein, sie für mich zu küssen?«
»Eh, aus irgendeinem besonderen Grund?«
»Weil sie höchstwahrscheinlich mein
Leben gerettet hat, wenn das für Sie Grund genug ist. Wissen Sie, außerdem trug
sie auch noch eine dieser Reitkappen aus Samt, die innen hart sind. Als sie
sah, daß ich keinen Schutzhelm trug, sagte sie, daß jeder, der ohne Helm
Motorrad fährt, total verrückt sei, und setzte mir ihre Kappe auf. Ich hatte
nicht mal genug Zeit, mich bei ihr zu bedanken, weil gerade der Bus losfuhr und
sie rennen mußte, um ihn nicht zu verpassen. Der Arzt nimmt an, daß ich in
hohem Bogen über das Lenkrad geflogen bin, und wenn ich diese Reitkappe nicht
gehabt hätte, hätten sie meinen Schädel höchstens noch mit Sekundenkleber
zusammenbekommen.«
»Gütiger Herrgott! Ich werde unter
allen Umständen feststellen, wie diese junge Dame heißt und, eh, Ihren Dank auf
passende Art und Weise ausrichten, wenn meine Frau nicht allzuviel dagegen hat.
Aber, um noch einmal auf den Unfall zurückzukommen, wenn es Ihnen nichts
ausmacht, darüber zu sprechen, Sie sagten, daß Sie nach Hause zockelten und
schon ziemlich, eh, fix und foxy waren. Sind Sie vielleicht eingenickt?«
»Das bezweifle ich sehr. Ich war kein
bißchen müde, nur total kaputt. Ich meine, Menschenskind, es war die
aufregendste Nacht, die ich je erlebt habe, noch besser als die Überschwemmung
in der Seifenfabrik. Ich war geistig noch voll da, malte mir aus, wie ich die
Story am besten bringen sollte, und versuchte, mich an alle Einzelheiten zu
erinnern, weil ich keine Zeit hatte, Notizen zu machen. Außerdem mußte ich
aufpassen, weil mit dem Scheinwerfer irgend etwas nicht stimmte. Was es genau
war, weiß ich auch nicht, aber es flackerte
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