Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über Stock und Runenstein

Über Stock und Runenstein

Titel: Über Stock und Runenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
würde. Vielleicht hatte
er auch mehr gewollt als nur Spurges Kleidung. Angenommen, er hätte Grund zu
der Annahme, daß sein Vetter beispielsweise ein kleines, aber wertvolles
Familienerbstück oder ein Dokument besessen hatte, das seinen Anspruch auf den
umstrittenen Lumpkin-Besitz stärkte oder gefährdete? In einem spärlich
möblierten Zimmer gab es nicht viele Versteckmöglichkeiten für einen derartigen
Gegenstand, außer vielleicht in der umfangreichen Tabaksdosensammlung.
    Nute hätte nicht gewagt, lange genug zu
bleiben, um sämtliche Kartons zu durchstöbern, aber warum sollte er auch? Er
hätte genau das getan, was er schließlich auch getan hatte, nämlich am
hellichten Tag einen Besuch abgestattet und sich so abscheulich benommen, daß
keiner auch nur einen Blick auf die Gegenstände zu werfen wagte, bevor er sie
wegschleppte. Vielleicht hatte er damit gerechnet, daß die Explosion sich
gerade dann ereignen würde, wenn er sich in aller Unschuld im Haus aufhielt.
Vielleicht hatte er gehofft, daß die Ablenkung ihm genug Zeit lassen würde, das
zu finden, wonach er suchte, ohne den ganzen Plunder mitschleppen zu müssen.
Wer zum Teufel konnte das schon wissen?
    Keiner war unverdächtig, nicht einmal
Tim, Roy oder Laurie. Oder Eddie, Ralph und Jolene oder Marie oder eines ihrer
zahlreichen Kinder. Nicht einmal Miss Hilda oder Henny Horsefall, der sich
derart merkwürdig verhielt, daß man sich wirklich fragen mußte, ob man ihn ohne
Bedenken allein lassen konnte. Auch Fergy der Trödler hätte in der Nacht
herwatscheln können, vorausgesetzt, es war ihm gelungen, sich aus Millicent
Peaveys liebevoller Umarmung zu befreien, und er war nicht zu betrunken
gewesen, um den Misthaufen zu finden, wobei allerdings beide Annahmen
unwahrscheinlich waren, wenn man die bisher bekannten Tatbestände
berücksichtigte.
    Fergy hätte bestimmt nicht unerkannt in
seinem Rennbahn-Aufzug, den er auf der Beerdigung getragen hatte, auf dem
Scheunenhof herumhantieren können, und er hatte nach nichts anderem als nach
Bier gestunken, als Shandy ihn danach getroffen hatte. Von den beiden war
Millicent sicher die verdächtigere Person; aber sie war noch nicht lange genug
in Lumpkin Corners, um zu wissen, wo sich die Horsefallsche Scheune überhaupt
befand. Außerdem hatte sie kein Motiv, Henny Horsefall zu schikanieren, es sei
denn, sie wäre die seit langem verschollene Tante von Gunder Gaffson. Auch das
würde Shandy nicht mehr sonderlich überraschen.
    Hätte Gunder Gaffson riskiert, selbst
herzukommen? Der Bauunternehmer war ein kräftiger Mann. Shandy erinnerte sich
daran, wie er Loretta Fescue überragt hatte, als er die beiden zusammen gesehen
hatte, und Loretta war auch nicht gerade klein. Und Gaffson war ein
aufbrausender Typ, wenn man danach ging, wie er Mrs. Fescue angefaucht hatte
und sie weggezerrt hatte. Und er war gewohnt, alles zu bekommen, was er wollte,
und genau das zu tun, wonach ihm zumute war, ohne sich um die Folgen zu
kümmern, die seine Handlungen für andere nach sich zogen.
    Gaffson besaß bestimmt zumindest
Grundkenntnisse, was elektrische Anlagen betraf, da er im Baugeschäft tätig
war. Ganz sicher war ihm bekannt, wie man einen einfachen Thermostaten
herstellte. Er hatte genug Kraft und verfügte bestimmt auch über das richtige
Werkzeug, um einen Misthaufen anzubohren. Wenn ihm die Arbeit zu unangenehm
war, konnte er immer noch Fesky geschickt haben, um sie für ihn zu erledigen.
    Oder Loretta selbst hatte Fesky
geschickt. Oder Fesky hatte persönlich die glänzende Idee gehabt, die
Initiative zu ergreifen, und warum um alles in der Welt war Shandy nicht heute
nachmittag hingegangen und hatte Fesky Fescue ausfindig gemacht, anstatt sich
Millicent Peaveys Geschnatter über das Aufwärmen von Truthahn Tetrazzini
anzuhören?
    War es zu spät, jetzt Fesky
aufzusuchen? Wie spät war es überhaupt, zum Kuckuck? Plötzlich fiel Shandy auf,
daß die Sonne schon untergegangen war, dabei war heute der längste Tag des
Jahres, was ihm bisher völlig entgangen war. Das Fest der Sommersonnenwende.
Ein Kribbeln, das sich so ähnlich anfühlte wie das, was er eben gespürt hatte,
als er über den Elektrodraht stolperte, schoß ihm die Wirbelsäule hinauf. Die
alten Nordmänner hatten diesem Tag doch immer eine besondere Bedeutung
zugemessen, oder? Konnte diese bizarre Kette von Ereignissen um den Runenstein
tatsächlich in Zusammenhang mit der Sommersonnenwende stehen? Oh Gott! War er
etwa wieder bei Orm Tokesson

Weitere Kostenlose Bücher