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Ueberdog

Ueberdog

Titel: Ueberdog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg-Uwe Albig
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Espressomaschine schmeckte metallisch, körperlos; ich nahm mir vor, das Gerät zum Entkalken zu bringen.
    Das Atelier lag noch im Dunkeln; nur in der Küche drang schon Licht durch die Jalousien. Ich setzte mich an den Tisch, breitete die italienische Vogue vor mir aus, dazu Poop , Shine und Safari . Auf dem Titelbild von .354 schmollte Bernardette Chevilleux im Navy-Seals-Dress, zwei zerdrückte Melonenscheiben in den Fäusten. Im Blättern flatterte ein blassblauer Zettel vom Tisch auf und schwebte sacht zu Boden. Ich hob ihn auf und erkannte Patricks Schrift, die ausgreifenden Über- und Unterlängen, mit denen er gern Selbstbewusstsein signalisierte. »Bin bei Petra«, las ich. »Nehme mal an, das ist OK. LG, P.«
    Ich kannte keine Petra. Nie hätte ich eine Frau mit diesem Namen akzeptiert. Ich stellte mir eine Kollegin vor mit kleiner patziger Nase und kleinen Augen unter erschreckten Brauen und Fransenpony, ihren kleinen, atemlosen Mund. Ich stellte mir irgendeinen Abend nach irgendeiner Konferenz vor, Patrickund Petra gemeisam beim Italiener, Patrick zu Petra: »Ich weiß genau, wovon du sprichst. Pardon, ist das okay, wenn ich du sage?« Und dann die Geschichten, die Verzerrungen, die kopfnickend hervorgebrachten Urteile: »Auf mich wirkt sie irgendwie so – unnahbar.«
    Ich ließ mir die lächerliche Alliteration auf der Zunge zergehen – Patrick und Petra, Petrick und Patra. Plötzlich fiel mir auf, dass es keinen muffigeren Buchstaben gab als P. Und noch mehr als die Desertion kränkte mich jetzt Patricks Wahl.
    Ich hätte ihm gegönnt, durch die Bars zu ziehen und mit Wodkaatem flotte Jungssprüche zu verteilen, an Models und freie Kuratorinnen mit Schönheitsflecken im tiefen Rückenausschnitt. Vielleicht, dachte ich, hätte ich mir sogar gewünscht, ihn mit zwei Thalia-Schauspielerinnen oder drei Equity-Account-Managerinnen im Bett vorzufinden, Whiskyglas in der Hand und sein tiefes Lachen in der Brust: »Baby, was ist? Brauchst du noch ’ne Extraeinladung? U. A. w. g.«
    Jetzt aber musste ich mich für Patrick schämen. Und so kam es, dass ich mich noch mehr für Patricks selbst schon fast patrickisierte Freundin schämte, die ich, die Tatsache verfestigte sich zunehmend hinter einem lauen, unfruchtbaren Nebel, schließlich nun mal immer noch war.
    Im Küchenregal fand ich eine Flasche Pisco, deren Herkunft ich mir nicht erklären wollte. Der erste Schluck Pisco schmeckte muffig, fast wie der Buchstabe P. Nach dem zweiten Schluck merkte ich, dass mir die Beschämung, die in Patricks Wahl lag, fast recht war. Dass meine Beziehung zu Patrick vielleicht über Jahre nur dazu gedient hatte, Beweise gegen ihn zu sammeln; Indizien für ein grundsätzliches Ungenügen, das mich von jederLoyalität entband. Vielleicht war Petra gar kein Missverständnis. Vielleicht war von Anfang an ich das Missverständnis gewesen.
    Ich begann, den Küchentisch aufzuräumen. Ich stapelte Vogue Italia , Poop , Shine , Safari und .354 auf Kante. Ich merkte, wie gut mir das tat. Dann endlich fühlte ich mich so müde, dass ich mich sofort, die Jeans und den Churro-Pullover noch am Leib, in die Falten des aufgewühlten Lakens warf, in dem Patricks Geruch gerade noch zu erahnen war.
    Die Stelle am Ende des Bauzauns, hoch über dem Abgrund zur Elbe, an der Schwindelfreie ohne große Anstrengung auf das Gelände der Elbphilharmonie klettern konnten, war nicht schwer zu finden gewesen. Schwieriger war es gewesen, Schmiddel und Zork, Paul, Chuck, Betty und Zebra von dem Matratzenlager unter der Brücke wegzulocken.
    »Alles cool hier«, hatte ich gesagt, »aber was fehlt, ist die Idee.« Ich hatte auf die Sitzlandschaft gezeigt, die Matratzen, den Grill auf der Feuerstelle, die Wurstpelle in der Asche; alles zweckmäßig, aber zufällig.
    »Vertraut mir einfach«, hatte ich gesagt. »Es wird euch gefallen, das versprech ich euch.« Aber Betty hatte verdreht auf einer Matratze gelegen und schwer geatmet. Zebra ging nicht ohne Betty. Paul hatte seinen Jenseitsblick aufgesetzt, indifferent, über den Dingen schwebend. Zork starrte mich brütend an, als warte er auf den Moment zum Zustechen.
    Ich hatte den Prospekt, der mit der Einladung von Greystoke gekommen war, noch im Kopf. »Ein Haus für exzellente Musik und urbanes Erleben«, sagte ich. »Eine vertikale Stadt in derStadt. Öffentliche Räume und Konzertsäle überlagern sich mit Hotel, Restaurant und Apartments.«
    Chuck sah mich mit kalten Augen an. Sein Bart changierte,

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