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Ueberdog

Ueberdog

Titel: Ueberdog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg-Uwe Albig
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ich weiß, dass du das kannst.
    Ich war gefangen. Um mich herum sah ich Menschen, die munter Arme und Beine schwangen, die Sprünge vollführten, quer über die Fläche. Ich aber stand gefesselt in Bettys Umklammerung, im Gefängnis von Bettys Uringeruch, der sich mit jedem Schütteln des krampfenden Körpers stoßweise in meine Nase drängte. Und da sah ich Zork, der lässig, Hände in den Taschen, auf die Skulptur zuschlenderte, zu der ich mit Betty zusammengeschweißt war.
    Ich zwang mich zum Lächeln. »Kuck dir das an«, sagte ich souverän. »Die hat’s nicht mehr bis zum Klo geschafft.«
    Zork antwortete nicht. Er marschierte nur weiter auf mich zu, und als er auf Handbreite vor mir stand, starrte er mir in die Augen. Sein Blick war wie Steinschlag, wie Melodien. Sein Mund stand halboffen, als hätte er gerade etwas gesagt, als könnte er sich nur nicht erinnern, was. Einen Moment lang war der leichte, bittere Geruch seiner Haut stärker als die Urinschwaden aus dem Abgrund unter mir. Dann neigte er den Mund an mein Ohr und zischte hohl: »Na. Und.«
    Er zog den Kopf zurück, um zu sehen, was seine Worte bei mir angerichtet hatten. Ich muss ihn verwirrt angesehen haben, denn auf seinem Gesicht breitete sich das sieghafte Grinsen aus, das er immer aufsetzte, wenn er eine seiner vielen Schlachten gewann. So stand Zork vor mir, Fäuste in den Hüften, die Stiefel knapp neben Bettys Ohren. Und ohne Betty anzusehen, die noch immer meine Beine umkrampfte, fing er an, sie zu preisen.
    »Das ist eine ganz Große«, sagte er. »Eine ganz Große.«
    Er blickte jetzt auch über mich hinweg, über mein Unbehagen, meine reglose, ausgelieferte Gestalt.
    »Die hat was«, sagte er, »davon träumst du bloß.«
    Und als erinnerte er sich jetzt erst wieder an mich, sah er mich an, forschte mit zusammengekniffenen Augen in meinem Gesicht: »Und du. Wo kommst du überhaupt her. Wer bist du eigentlich, Mensch. Was willst du hier. Wer hat dich überhaupt eingeladen.«
    Ich konnte es nicht sagen. Keine seiner Fragen hätte ich beantworten können. Ich wollte auch längst nichts mehr; schon gar nicht wollte ich mich rechtfertigen; ich wollte nur noch weg von diesem Ort. Ich versuchte, einen Fuß zu heben, aber die Klammer hielt mich fest. Endlich beugte sich Zork über Betty, griff ihr unter die Achseln, und ihre Arme lösten sich von meinen Beinen. Dann zog er sie hoch, drehte sie zu sich, hielt ihren pendelnden Kopf mit seinen langen, aristokratischen Fingern fest und wälzte ihr einen endlosen Kuss auf den Mund.
    Ich konnte nicht zusehen; ich schloss die Augen. Zugleich war ich unfähig, mich von der Stelle zu rühren. Als ich wieder hinschaute, dauerte Zorks Kuss immer noch an; ich sah, wie Betty halbherzig auf ihn einging; ich sah Bettys breite Lippen, die sich träge regten unter Zorks konzentrierter Arbeit. Breitbeinig stand er da, den Kopf im Mondlicht, die halbtote Betty im Arm. Dann wandte er sich zur Tanzfläche und dröhnte: »Umdrehen, ihr Muschis. Hier ist erst ab achtzehn.«
    Ich wollte etwas sagen.
    »Zork«, sagte ich, aber Zork hörte nicht zu.
    »Du hast recht«, sagte ich. »Das war nicht schön von mir.«
    Aber Zork nahm Bettys Hand und zerrte ihren Körper, der jetzt zuckte, als hätte ihn Zorks Kuss noch einmal kurzfristig belebt wie Stromstöße einen toten Frosch, über den Beton und verließ mit ihr, ohne mich noch einmal anzusehen, den Dachgarten.
    Mir blieb nichts übrig, als mich auf die Tanzfläche zu retten. Ich war nicht mehr betrunken. Es war, als hätte Bettys Klammergriff den Alkohol aus meinem Blutkreislauf gesogen und in ihren eigenen eingespeist. Ich stürzte mich in den Tanz, als wäre er ein Teich, der Sonne und Geräusche dämpft und nur grünes, körniges Licht unter die Wasseroberfläche lässt. Von irgendwoher, von jenseits des Wasserspiegels, hörte ich manchmal die schütteren Klangstöße aus Schmiddels Transistorradio, ihr stockendes Wehen. Doch ich schwamm willenlos in der Masse, die mich umgab; in ihren Wellen, ihrem walhaften, verspielten Stampfen.
    In der Morgendämmerung fand ich auf meinem Dämmwolllager zwei junge Brillenträger in Löffelstellung. Sie trugen keine Hosen, aber Hemden, die mit Tiermotiven bedruckt waren. Ich nahm den Fahrstuhl in die Fitnessetage, stieg die Stufen zum Penthouse hoch und starrte durch das Panoramaglas, starrte in das erbleichende Dunkel über dem Fluss. Hinterrücks schlich sich die Sonne an, rötete die Wasserfläche, und ich schloss schnell die

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