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Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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wer ich bin.
    »Danke für den guten Rat, aber ich habe schon einen Guru, der mich mit Ratschlägen versorgt«, knurrte er. »Ich nehme an, du bist diese Wasserratte, die mir heute schon einmal über den Weg gelaufen ist. Ich hätte dich ersäufen sollen, aber das läßt sich jederzeit nachholen.«
    »Hijo de puta! Du sehr dumm, amigo. Du un idiota, si? Wer so dumm, nicht lange leben. Besser vergessen noestro amigo Maaßen. Sonst tot, comprende?«
    Klick.
    Aufgelegt.
    »Reizend«, murmelte Markesch. »Ein wahrer Freund. Und so besorgt um mich.«
    »Etwas Unangenehmes?« fragte Archimedes.
    »Nur eine Morddrohung«, winkte Markesch ab. »Nichts, worüber es sich nachzudenken lohnt.«
    Archimedes nickte verständnisvoll. »Mit anderen Worten – der Fall entwickelt sich.«
    »Der Fall entwickelt sich«, bestätigte Markesch.
    Aber er war sich nicht sicher, ob es ihm gefiel. Er dachte an Susanne Großmann, und er hatte das Gefühl, daß sie in Schwierigkeiten war. In großen Schwierigkeiten.
    Draußen war es Nacht geworden, und der Regen rauschte vom Himmel, als wollte er die ganze Welt ertränken.

 
6
     
    Markesch fuhr am Volksgarten vorbei, der sich als schwarze formlose Masse im dunklen Grau der Nacht abzeichnete, und parkte den Ford am Martin-Luther-Platz, unter den Baumkronen, die wie triefend nasse Haarschöpfe vom Herbstwind zerzaust wurden. Vom Chlodwigplatz am anderen Ende der Merowingerstraße grüßten die Lichter der Südstadt: wässrige Flecken Helligkeit hinter dichten Regenschleiern.
    Es war kurz vor zehn, und die Südstadt erwachte allmählich zum Leben.
    Tagsüber glich Köln einer braven Hausfrau, für die es nur Kinder, Küche und Kirche gab, aber in der Nacht trug sie dicke, grelle Schminke auf und schlüpfte in ihr engstes Kleid mit dem tiefsten Ausschnitt, um die Freier anzulocken – eine Hure, aber eine, deren einladendes Lächeln von Herzen kam und die nur soviel versprach, wie sie halten konnte. Und wenn sie auf den Strich ging, dann in der Südstadt.
    Die Altstadt mit ihren Kneipenzeilen und Bierkatakomben war für die Touristen da; das Vergnügungsviertel rings um den Zülpicher Platz für die Studenten; aber die Insider und die Underdogs zogen ihre Kreise in der Südstadt, wie Eisenspäne unter dem Einfluß eines Magneten, und hatten immer noch nicht gemerkt, daß die Szene längst zu ihrem eigenen Mythos geworden war. Ein Fossil aus den siebziger Jahren, dem Paläozoikum der Bewegung.
    Markesch griff in das Handschuhfach seines Fords, zog die Flasche Scotch heraus und trank einen großen Schluck.
    Morddrohungen machten ihn immer philosophisch.
    Er fragte sich, ob Susanne Großmann auf die gleiche Weise eingeschüchtert worden war. Vermutlich: Das erklärte ihre Angst und die Lügen, die sie ihm aufgetischt hatte. Stimmte demnach seine Theorie, daß Michael Maaßen gedealt hatte und einer Bande professioneller Pusher – dem Flamencotänzer und seinen Komplizen – in die Quere gekommen und beseitigt worden war?
    Barny, dachte Markesch. Er muß es wissen. Wenn sich jemand in der Drogenszene auskennt, dann Barny.
    Er stieg aus, und der Wind blies ihm den Regen ins Gesicht. Er schlug den Kragen der Lederjacke hoch und ging den Lichtern des Chlodwigplatz entgegen. Die Nacht war weit genug fortgeschritten, daß er hoffen konnte, Barny in einer der Südstadtkneipen zu finden, wo er wie viele andere sein Leben verbrachte, auf der Jagd nach Dope und auf der Flucht vor sich selbst.
    Vorausgesetzt, Barny war inzwischen nicht in der Anstalt oder auf dem Friedhof gelandet … oder im Knast. Nein, dachte Markesch mit einem grimmigen Lächeln. Nicht im Knast. Auch wenn Barny der größte Doper diesseits und jenseits des Rheins ist – das Rauschgiftdezernat wird ihn nicht hochnehmen. Enke führt vielleicht einen Heiligen Krieg gegen die Dealer und User der Stadt, aber Barny ist zu schlau, als daß er ihm etwas nachweisen kann.
    Und wenn doch, dann wird Barny ein paar Tips ausspucken, die zur Verhaftung irgendeines Mittelklassedealers führen, der sich in der Szene unbeliebt gemacht hat, und alle sind zufrieden. Enke, weil er wieder einmal dem internationalen Rauschgifthandel einen vernichtenden Schlag versetzt hat; die Szene, weil sie einen Störenfried losgeworden ist; und natürlich Barny, weil er sich mit stillschweigender Genehmigung der Polizei weiter das Gehirn mit Drogen aufweichen kann.
    Sie sollten Scotch trinken, dachte Markesch. Alle – die User, die Dealer, die Fahnder. Scotch ist

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