Ueberdosis
mißverstehen würden. Er stand auf und verließ das Lokal. Unauffällig sah er sich um. Nirgendwo eine Spur von dem Spanier. Es war, als hätte ihn das Meer aus Regenschirmen verschluckt. Markesch schlenderte ein paar Minuten lang die Hohe Straße hinauf und hinunter, doch der Spanier blieb unauffindbar.
Unbehaglich wischte er sich mit dem Handrücken den Regen aus dem Gesicht und machte sich auf den Rückweg zu seinem Wagen, den er in einem Parkhaus unweit von St. Aposteln abgestellt hatte. Er war überzeugt, daß er den Spanier wiedersehen würde, und die Vorstellung gefiel ihm keineswegs.
Aber schließlich war er Privatschnüffler geworden, um Ruhm und Reichtum zu gewinnen, und Ruhm und Reichtum waren schon immer mit jeder Menge Schmutz verbunden gewesen.
Im Café Regenbogen debattierten die vier Parkstudenten noch immer über das Ende der Welt. Einige andere Tische hatten inzwischen ebenfalls Gäste gefunden: cocktailschlürfende Jungmanager und säftetrinkende Alternative, die einander mit herablassenden Blicken bedachten. In einem Winkel, wo eine bis zur Decke reichende, weit ausladende Zimmerpalme ein restauriertes Jugendstilsofa vor neugierigen Augen abschirmte, saßen die Blondine mit dem altägyptischen Profil und ihr Stahlschrankfreund und unterhielten sich für Markeschs Geschmack viel zu angeregt miteinander.
Vermutlich über die Vorzüge der platonischen Liebe in den Zeiten von Aids, dachte er mürrisch.
Auf dem Weg ins Bürocafe hatte er den Fehler gemacht, an seiner Wohnung vorbeizugehen und einen Blick in den Briefkasten zu werfen. Nach seiner überschlägigen Rechnung fraßen allein die Rechnungen, die heute mit der Post gekommen waren, zwei Drittel seines Vorschußhonorars auf. Und er war sicher, daß Hommberg seinen fünfzigprozentigen Honoraranteil zurückziehen würde, wenn er ihn nach seiner Rolle im Fall Maaßen befragte. Er mußte Archimedes dazu bringen, seinen Scotchkredit zu verlängern.
Sophie hätte er mit einem Hinweis auf seine demnächst fällig werdende Sterbeversicherung überzeugen können, aber der Grieche war zu raffiniert, um darauf hereinzufallen. Archimedes wußte, daß der Tod erst eintrat, wenn der Scotchverbrauch auf Null fiel.
Der Grieche stand an der Espressomaschine und flirtete mit einer vollbusigen Sozialpädagogikstudentin, die ihr Haar zu einer pilzförmigen Frisur hochgesteckt trug. In ihrem roten, weißgepunkteten Kleid mit dem faszinierend tiefen Ausschnitt sah sie wie die Madonna der Mykologen aus, und Markesch glaubte sich tatsächlich zu erinnern, daß sie mit Nachnamen Champignon hieß. Aber da sie weder Französin war, noch hugenottische Vorfahren hatte, mußte er sich irren.
Wahrscheinlich heißt sie in Wirklichkeit Morchel, dachte er mit einem bösen Lächeln, als er sich an seinen Arbeitsplatz unmittelbar vor dem Tresen setzte.
Draußen dämmerte der graue Tag in einen grauen Abend hinüber, und die Scheinwerfer der vorbeibrausenden Autos ließen die Regentropfen wie Diamanten glitzern, die ein himmlischer Karnevalszug über Köln verstreute.
Archimedes trennte sich mühsam von seiner Pilzschönheit und brachte Markesch den dringend benötigten Scotch und für sich einen Ouzo mit. »Ich habe Neuigkeiten für dich. Aber zuerst: Yamas!« Er stürzte den Ouzo hinunter.
»Das ist gut. Ich habe ebenfalls Neuigkeiten für dich. Du mußt mir den Scotchkredit verlängern. Leute, die mir persönlich völlig unbekannt sind, wollen an mein Maaßen-Honorar. Es ist schrecklich.« Deprimiert trank er einen Schluck Scotch.
»Es ist nicht schrecklich, es ist ruinös«, sagte der Grieche. »Wenn ich Kinder hätte, würde ich dich jetzt fragen, wie soll ich meine Kinder ernähren? Malaka! Eine Heuschreckenplage würde mich billiger kommen! Weißt du was, Kopane? Du gehörst auf jede Landkarte. Wie die Sahara, die Gobi, die Atacama. Die Wüste Markesch. Du bist der Traum eines jeden Kartographen und der Alptraum jedes Cafétiers. Ich werde Konkurs anmelden müssen und …«
Markesch hörte nur mit halbem Ohr zu. Die Sozialpädagogikstudentin mit der Pilzfrisur war verschwunden. »Wo ist deine Pilzfreundin?« fragte er. »Vielleicht hilft sie gegen meine Depressionen. Ich habe noch nie mit einem Pilz geschlafen.«
»Vergiß sie. Sie ist zu jung für dich.« Archimedes zog einen Stuhl heran. »Außerdem solltest du an deinem Fall arbeiten. Ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld kein Scotch, katalawes?«
»Du klingst wie Sophie«, knurrte Markesch. »Wußtest du,
Weitere Kostenlose Bücher