Ueberdosis
Bart. »Elvira Maaßen hat eine Schwester, Marion, einige Jahre jünger als sie und nicht so erfolgreich in der Wahl ihres Ehepartners. Mitte der Siebziger heiratete sie Lukas Hommberg, einen gutaussehenden, aber nicht sehr vermögenden Mann voll grandioser Ideen, die früher oder später allesamt in die Pleite führten. In Zeiten der Not – also fast immer – hat Elvira Maaßen ihre Schwester und deren angetrauten Pleitier unterstützt; ohne Wissen und vermutlich gegen den Willen ihres Mannes. Ewald hielt nicht viel von seinem Schwager. Einige Leute behaupten sogar, daß er ihn haßte.«
»Warum? Gab es einen bestimmten Grund?«
»Ewald war wesentlich älter als die schöne Elvira und durch seine Kriegsverletzung gesundheitlich gehandikapt. Ich meine, vielleicht war es ein Zufall, daß Elvira Maaßen nur dieses eine Kind bekam … Katalawes?« Der Grieche zwinkerte ihm zu. »Und Hommberg – nun, er hatte zwar im Geschäftsleben keinen Erfolg, bei den Frauen aber umso mehr.«
»Elvira Maaßen und Lukas Hommberg hatten – oder haben – also ein Verhältnis?«
»Vielleicht.« Archimedes zuckte die Schultern. »Du weißt, die Leute reden viel. Fest steht, daß sie ihn kurz nach dem Tod ihres Mannes zum Geschäftsführer der Maaßen-Pharma gemacht hat. Vielleicht als Lohn für seine Liebesdienste; vielleicht auch nur, um ihrer Schwester zu helfen.«
»Ich glaube nicht an das Gute im Menschen. Gibt es sonst noch etwas über Hommberg?«
»Nur, daß er trotz seines hochdotierten Geschäftsführerpostens hoffnungslos verschuldet ist. Offenbar ist Dostojewskij sein großes Vorbild.«
»Hommberg ist ein Spieler?«
Der Grieche lächelte anerkennend. »Man merkt, daß du zum Volk der Dichter und Denker gehörst.«
»Es ist mehr ein Volk der Richter und Henker«, sagte Markesch zynisch. »Vor allem der selbsternannten Henker. Ich werde mir Hommberg vorknöpfen. Ich habe ein paar gute Fragen an ihn, und hoffentlich hat er ein paar ebenso gute Antworten für mich.«
»Über die Firma selbst läßt: sich nur sagen, daß die Geschäfte hervorragend gehen«, fügte Archimedes hinzu. »Sie scheint eine Art Goldgrube zu sein.«
Markesch lachte hart. »Bei meinem Tolimadolverbrauch wundert mich das nicht. Wahrscheinlich finanziere ich ganz allein die jährliche Dividendenausschüttung.«
»Du überschätzt dich, Kopane. Den Großteil ihres Gewinns zieht die Maaßen-Pharma aus dem Geschäft mit den Krankenhäusern. Sie ist eine der größten Hersteller von Schmerz- und Narkosemitteln in Deutschland.«
»Deshalb auch diese horrenden Morphinvorräte«, nickte Markesch. »Und die Sicherheitsmaßnahmen für die Giftkammer. Das Lager muß das Paradies für einen Junkie sein.«
»Während unser Paradies das Café Regenbogen mit seinen unerschöpflichen Scotch- und Ouzovorräten ist. Yamas!«
»Auf die Zukunft!« sagte Markesch und leerte sein Glas.
Der Grieche stand auf, brachte Markesch einen neuen Scotch und kümmerte sich dann um die anderen Gäste, die weltuntergangsbesessenen Parkstudenten, die durstigen Jungmanager und die nach frischgepreßtem Orangensaft gierenden Alternativen.
Hommberg, dachte Markesch wieder. Dieser verlogene Bastard. Aber wieso ist es ihm so wichtig, daß die Umstände von Michaels Tod nicht aufgeklärt werden? Weil Michael tatsächlich mit Morphin aus der Firma gehandelt hat und ein Teil des Gewinns an Hommberg ging? Aber Hommberg hat allein keinen Zugang zur Giftkammer …
Trotzdem war es vielleicht nützlich, sich auf der Szene umzuhören, ob in der letzten Zeit eine größere Menge Morphin auf den Markt gekommen war. Der Besuch bei Hommberg konnte bis morgen warten. Es war besser, wenn er Hommberg in der Firma aufsuchte. Möglicherweise konnte er etwas über die innerbetriebliche Kontrolle des Giftlagers erfahren.
Das Telefon klingelte. Archimedes nahm ab und gab den Apparat an Markesch weiter. »Für dich.«
»Ja?« sagte er.
»Du Markesch?« Die Stimme klang rauh und kratzig, als würde der Anrufer exzessiv rauchen und trinken und auch sonst alles tun, um seine Stimmbänder zu ruinieren, und sein Deutsch war schauderhaft. »Du el detective, si?«
»Ich bin Markesch«, bestätigte er. »Was wollen Sie?«
»Dir guten Rat geben, comprende? Leben so kurz. Du nicht kürzer machen. Claro? Du vergessen noestro amigo Maaßen, und du keinen Ärger. Du fragen weiter, du muchos problemas, si?«
Der Spanier, dachte Markesch. Der rabiate Flamencotänzer. Susanne Großmann muß ihm gesagt haben,
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