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Ueberdosis

Ueberdosis

Titel: Ueberdosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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fortgeschrittener Vergeistigung, die Augen vom Kölsch getrübt, vom Haschisch erleuchtet oder vom Kokain in glitzerndes Eis verwandelt. Die Jüngeren machten einen verhältnismäßig frischen Eindruck, aber die Älteren waren von ihren langjährigen Expeditionen in die unbekannten Regionen des Bewußtseins gezeichnet, hartgesottene Veteranen der Drogenkultur mit in die Ferne gerichteten Blicken und wissend lächelnden Lippen, als hätten sie Nächte wie diese schon tausendmal erlebt. Markesch war sicher, daß sie recht damit hatten.
    Er dachte an das, was ihm der Anwalt über die Designer-Drogen erzählt hatte, die Stoffe mit den mysteriösen Buchstabenkürzeln wie MDMA oder DOB. Vielleicht hatte der Anwalt recht, vielleicht gehörte ihnen wirklich die Zukunft, aber hier im Südpol schienen sich die Freaks noch an die Drogen der Vergangenheit zu halten.
    Nina stieß ihn an. »Da ist er«, sagte sie und deutete auf einen jungen Burschen mit Drei-Tage-Bart, der soeben die Treppe heruntergewankt kam. Seine Jeans sahen aus, als hätte er noch nie davon gehört, daß vor Jahrzehnten ein kluger Kopf die Waschmaschine erfunden hatte. Unter dem Bartschatten war sein Gesicht fahl und nagerhaft, und in seinen verquollenen Augen war so viel Leben wie in den Augen eines toten Fisches. Mit der Eleganz eines betrunkenen Kartoffelsacks stolperte er an Markesch vorbei.
    »Hallo, Barny«, sagte er. »Du siehst aus, als könntest du einen Whisky brauchen.«
    Barny starrte ihn an. Quälend langsam dämmerte Erkennen in seinen toten Augen auf. »Ah … ja … Du bist … Bist du es wirklich? Ein Whisky? Ein Whisky ist eine gute Idee, eine gute Idee. Danke, Alter, danke.«
    Markesch gab Nina ein Zeichen, und mit einem äußerst kritischen Blick servierte sie zwei Scotch. Markesch drückte Barny ein Glas in die Hand und zog ihn in einen stillen Winkel neben der Treppe.
    »Alkohol ist ein Teufelszeug«, sagte Barny undeutlich. Seine Hand zitterte, als er das Glas ansetzte und es mit einem gierigen Schluck leerte. »Ein Teufelszeug, Markesch. Alkohol macht dich fertig. Aber was soll ich machen? Ich hab’ kein Geld, um mir was Anständiges zu holen. Hast du ein paar Mark für mich da? Nur ein paar Mark? Ich bin völlig abgebrannt. Frag mich nicht, wie das passieren konnte. Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Es ist wie eine Krankheit. Wie eine Seuche. Und ich bin eins ihrer ersten Opfer. Es ist schrecklich, schrecklich. Alle reden von Aids, aber wer spricht von der viel gefährlicheren Seuche namens Geldmangel? Keiner außer mir, jede Wette.«
    Seine Fischaugen flehten Markesch an, und er reichte ihm sein volles Glas.
    »Keine Panik, Barny.« Markesch klopfte ihm jovial auf die Schulter. »Zufällig bin ich Seuchenspezialist mit Schwerpunkt auf der Behandlung der epidemischen Form des akuten Geldmangels.«
    Barny kratzte sich mit der freien Hand am Kopf, am Hals, an der Brust, wieder am Kopf, nippte am Scotch, trank diesmal nur einen winzigen Schluck, als wäre die bernsteinfarbene Flüssigkeit ein ungeheuer wertvoller Schatz.
    »Er hilft nicht«, murmelte er verzweifelt, »Gott steh mir bei, der Alkohol hilft nicht …«
    Sein Rattengesicht war von Qualen zerfurcht, und obwohl es in dem Kellerlokal heiß und stickig war, zitterte er, als würde er frieren. Ein Junkie auf Entzug.
    Markesch griff in die Innentasche seiner Lederjacke und zog einen zusammengefalteten Hundertmarkschein heraus. Bedeutungsvoll wedelte er damit vor Barnys Augen herum.
    »Weißt du, was das ist, Barny?«
    Barny fuhr sich mit der Hand über den regennassen Haarschopf. In seinen Fischaugen funkelte Gier. »He, Alter!« sagte er heiser. »Träume ich? Oder ist es bloß die Wirklichkeit? Ich meine, es könnte ein Blauer sein, aber ich hab’ so was schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Zeig mal her. Wenn ich ihn mir aus der Nähe …«
    Markesch ließ den Schein in seiner Faust verschwinden. »Geduld, Barny. Ich bin zwar Heiler in Sachen Geldmangel, aber mit einer bloßen Geldspritze ist es nicht getan.«
    »Nein?« Barny starrte enttäuscht Markeschs Faust an. »Wirklich nicht? Also, ich kann das kaum glauben, Alter. Ich meine, wenn eine Geldspritze nicht gegen Geldmangel hilft, was hilft dann?«
    »Die Geldspritze kommt erst am Ende der Behandlung«, eröffnete ihm Markesch. »Zunächst muß eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens geschaffen werden, verstehst du? Ich stelle dir ein paar Fragen und du gibst mir ein paar Antworten, und danach

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