Ueberdosis
Wagen brauste durch die Pfützen auf ihn zu.
Markesch ließ sich fallen.
Oder seine Beine gaben unter ihm nach.
Er wußte es nicht. Er wußte nur, daß die Nacht plötzlich vom Tod erfüllt war, daß Gewalt und Mord in der Luft knisterten, daß die Scheinwerfer des heranrasenden Autos ihn wie gierige Augen anstarrten.
Er ließ sich fallen, und dicht über seinem Kopf pfiff eine Kugel hinweg und schlug mit einem harten Knall ins Holz der Treppe ein. Die Angst packte ihn wie eine eisige Hand. Die Zeit dehnte sich. Da war der brüllende Schatten des schweren Wagens, da waren die Scheinwerfer, da war die hochspritzende Gischt der Pfützen, glitzernde Tropfen, im Aufstieg, im Fall eingefroren.
Die Scheinwerfer wanderten.
Glitten quälend langsam an ihm vorbei.
Die Seite des Wagens schob sich in sein Blickfeld. Das halbierte Rechteck eines halb heruntergekurbelten Fensters. Ein dunkles Gesicht mit Kohlenaugen. Das Metall eines Pistolenlaufs, funkelnd im Licht der Straßenlaternen. Der klobige Aufsatz eines Schalldämpfers.
Markeschs Hand bekam die Türkante zu fassen.
Er rollte zurück und warf die Tür zu.
Sie fiel ins Schloß und erbebte gleichzeitig unter dem Einschlag einer Kugel.
Das Kreischen eines mißhandelten Getriebes, das Heulen eines überdrehten Motors.
Markesch kam hoch und zog die Magnum heraus. Er duckte sich, öffnete die Tür ein wenig und spähte hinaus. Der Motorenlärm wurde leiser. Er zwängte sich durch den Spalt und sah die Rücklichter des Wagens soeben hinter der Ecke verschwinden.
Stille.
Nur der Regen rauschte. Und sein Herz hämmerte.
Die Straße war wieder leer und friedlich. Als wäre nichts geschehen. Als hätte er nicht mit knapper Not einen Mordanschlag überlebt.
Keuchend lehnte er sich an die Wand und atmete, atmete.
Am ganzen Körper zitternd. Mit weichen Knien. Aber er lebte. Er war nicht tot. Wie Michael Maaßen, wie Barny. Er lebte. Sie hatten ihn nicht erwischt, die Bastarde hatten ihn nicht erwischt.
Er sah zu den Fenstern des gegenüberliegenden Hauses hinüber, doch niemand blickte hinaus, niemand schrie nach der Polizei. Alles war so schnell gegangen, so verflucht schnell.
Aber er lebte.
Nur das zählte.
Er lebte, und er stand da, den Kopf in den Nacken gelegt, und fing mit offenem Mund die Regentropfen auf.
10
Nach einer Viertelflasche Scotch ließ das Zittern seiner Hände endlich nach.
Eine Falle, dachte er. Diese Schweinehunde haben mir eine Falle gestellt. Natürlich. Deshalb wollte Barny am Telefon nicht reden. Nicht, weil er für seine Informationen direkt das vereinbarte Honorar kassieren wollte, sondern weil die Spanier ihn gezwungen haben. Sie wollten mich in seine Wohnung locken. Und dann haben sie Barny umgebracht und gewartet, bis ich das Haus verließ.
Aber die Falle ist nicht zugeschnappt, amigos, dachte er grimmig. Markesch leb, und er wird euch finden, wo immer ihr euch auch versteckt. Ich finde euch, und dann wird abgerechnet. Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Goldzahn wird der erste sein.
Dann der Flamencotänzer.
Dann sein Bruder mit dem roten Porsche.
Zum Teufel mit dem BKA. Zum Teufel mit Hommberg.
Ich werde nicht eher ruhen, bis ich diese Bastarde zur Strecke gebracht habe.
Markesch gab Gas, und der klapprige Ford rauschte wie ein Kanonenboot durch die großen Pfützen.
Aber zuerst nach Marienburg, dachte er. Zur feudalen Maaßen-Villa. In einer Stunde ruft dieser Laschke an. Es muß Laschke sein. Es gibt keine andere Möglichkeit. Dieser verdammte Fledderer. Dem sterbenden Jungen die Uhr abzunehmen. Und dann zwanzig Riesen für die Beschreibung des Mörders zu verlangen. Es ist schrecklich. Was ist das nur für eine Welt? Voller Mörder, Fixer und Leichenfledderer, Amphetaminkocher und Heroindealer. Und was unternimmt die Polizei? Nichts. Weil sie sich zur Not immer noch ihre eigenen Dealer zusammenbasteln kann, wenn es darum geht, Erfolge zu präsentieren.
Allein gegen alle, dachte Markesch. Meine Magnum und ich gegen den Rest der Welt.
Er lachte heiser.
Nach kurzer Zeit erreichte er den Chlodwigplatz und fuhr durch die Bonner Straße Richtung Süden. Die Scheibenwischer surrten aufgeregt hin und her und lieferten dem Regen einen erbitterten Kampf, aber der Regen war stärker.
Vielleicht wird diese Stadt doch noch überflutet, dachte Markesch. Vielleicht tritt der Rhein über die Ufer und verschlingt diese Stadt, damit endlich Frieden einkehrt. Nur noch der Dom und die Spitzen der Hochhäuser werden aus den Fluten
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