Ueberdosis
Vereinbarung nichts erfahren.«
»Im Vergleich zu mir ist ein Beichtvater ein Klatschkolumnist«, versicherte Markesch.
Hommberg legte auf.
Markesch seufzte und starrte wieder in sein leeres Glas. Telefonate mit Leuten wie diesem Hommberg machten ihn immer durstig.
»Ein weiterer Fall?« fragte Archimedes und stellte unaufgefordert einen dreistöckigen Whisky auf den Tisch. In seinen dunklen Augen glitzerte es begehrlich. »Noch mehr Geld?«
»Derselbe Fall«, erklärte Markesch und griff nach dem Glas. »Aber noch mehr Geld. Der Schwager meiner Auftraggeberin will mir fünf Riesen dafür zahlen, daß ich den Fall nur pro forma übernehme. Er hält ihn bereits für gelöst.«
Der Grieche setzte sich. »Aber, ston diabolo« – er gestikulierte wild – »wofür bekommst du dann diese fantastische Summe?«
»Für einen Akt der Menschlichkeit. Für Elvira Maaßens Heilung von der fixen Idee, daß ihr Sohn Opfer eines Mordanschlags geworden ist.« Er trank genüßlich einen Schluck Scotch. »Natürlich könnte es sich auch um eine Art Schweigegeld handeln.«
Archimedes kniff die Augen zusammen. »Du meinst …?«
»Ich meine nur, daß mich der Fall Maaßen zu interessieren beginnt«, sagte Markesch. Er dachte nach. »Du hast die Lady im Nerz gesehen. Hat sie auf dich einen hysterischen Eindruck gemacht?«
»Hysterisch?« Der Grieche grinste. »Soll das ein Witz sein? Ich habe noch keine Frau gesehen, die mehr Ähnlichkeit mit einer Tiefkühltruhe hatte als deine Lady im Nerz.«
Markesch nickte, stürzte den Scotch hinunter und lehnte sich zurück. »Elementar, mein lieber Watson. Und jetzt stell die Flasche auf den Tisch. Wir haben etwas zu feiern. Und zwar die Tatsache, daß es deinem besten Freund und treuesten Schuldner soeben gelungen ist, den wohlverdienten Ruin von deinem Café abzuwenden.«
Das Grinsen des Griechen wurde um eine Spur breiter, und er verschwand hinter der Theke, um den Scotch zu holen. Markesch blickte nach draußen. Der sintflutartige Regen hatte die Straße in einen reißenden Wildbach verwandelt, und es sah nicht so aus, als würde jemand noch vor Morgengrauen den Stöpsel finden, um all das Wasser abzulassen und die Stadt vor dem Untergang zu retten.
Der Tisch an der Fensterbank mit dem wuchernden Privatdschungel war leer. Die Blondine mit dem üppigen Busen und den langen Beinen mußte das Café verlassen haben, während er mit Hommberg gesprochen hatte.
Markesch zuckte resignierend die Schultern.
Hoffentlich ist sie nicht ertrunken, dachte er. Das wäre ein harter Schlag für die biologische Fakultät. Von all den Hobbybiologen dieser Stadt ganz zu schweigen.
3
Der Morgen brachte Kopfschmerzen und schlechte Radionachrichten; der Rhein war über die Ufer getreten und hatte Teile der Altstadt überschwemmt, und die Hochwasserwarnung wurde mit Meldungen über Kriege, Hungersnöte, Attentate und Umweltskandale garniert. Zu allem Überfluß gab es keine Aussicht auf eine Wetteränderung.
Markesch schaltete das Radio aus und nahm gegen die Kopfschmerzen zwei Tolimadoltabletten.
Im Badezimmer sah er mit müden, verquollenen Augen in den Spiegel und dachte an seine Gespräche mit Elvira Maaßen und Lukas Hommberg. Und an Michael Maaßen, den Jungen mit dem hübschen Gesicht, der auf der Bahnhofstoilette an einer Überdosis Heroin gestorben war. Unter häßlichen Umständen, wie Hommberg so treffend formuliert hatte.
Mord?
Oder nur ein typischer Junkie-Tod?
Ich muß mehr über diesen Jungen erfahren, dachte Markesch, während er sich rasierte. Wie er wirklich war, womit er seine Freizeit verbracht hat, welchen Umgang er gehabt hat … Seine Freundin. Die Maaßen hat etwas von einer Freundin erwähnt. Vielleicht weiß sie mehr. Und um Hommberg sollte ich mich kümmern. Will er seiner Schwägerin wirklich nur die Augen über ihren Sohn öffnen, oder steckt mehr dahinter?
Er war mit der Morgentoilette fertig, aber das breitflächige, verkniffen wirkende Gesicht mit den wasserblauen Augen unter den krausen blonden Haaren, das ihm aus dem Spiegel entgegenblickte, machte keinen besonders frischen Eindruck. Im Fernsehspot einer Anti-Alkohol-Kampagne hätte es alle Glaubwürdigkeitsrekorde gebrochen, aber im wirklichen Leben stellte es eine schwere Belastung dar.
Vor allem für einen seriösen, dynamischen, erfolgreichen Privatschnüffler mit Aufträgen aus den Kölner Industrie- und Hochfinanzkreisen.
Markesch lächelte ironisch. Er tappte auf nackten Füßen ins Wohnzimmer,
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