Überfahrt mit Dame
können«, überlegte ich laut.
»Ich glaube, sie ist derselben Meinung. MancherleiHilflosigkeiten sind verachtenswert. Es hat sich jedoch eine kleine Veränderung ergeben. Deswegen will er auch nicht länger warten. Seine Mutter hat damit zu tun, sie hat Vermögen – ein kleines – und kann ihn unterstützen. Sie wird mit ihnen zusammenleben und einige der Kosten abdecken, und nach ihrem Tod wird der Sohn bekommen, was übrig ist.«
»Wie alt ist sie?«, fragte ich zynisch.
»Das weiß ich wirklich nicht. Aber er kommt dabei nicht sonderlich heldenhaft weg – und ist keine Inspiration für unsere Freundin hier. Er war nicht mehr in Amerika, seit er das erste Mal fortging.«
»Eine seltsame Art, sie zu vergöttern«, bemerkte ich.
»Dieser Einwand ging mir auch durch den Kopf, aber ich habe ihn ihr gegenüber nicht ausgesprochen. Sie widerlegte ihn dann tatsächlich ein wenig, indem sie mir erzählte, er habe andere Möglichkeiten gehabt, sich zu vermählen.«
»Das überrascht mich«, bemerkte ich. »Aber sagte sie auch etwas davon«, fragte ich, »dass sie welche hatte?«
»Nein, und das ist eines der Dinge, die ich an ihr schätze, denn sie muss welche gehabt haben. Sie versuchte nicht, es so darzustellen, als hätte er ihr Leben zerstört. Sie hat drei Schwestern, und die Familie verfügt über so gut wie kein Vermögen. Sie hat sich bemüht, etwas zu verdienen, hat Kleinigkeiten geschrieben und Kleinigkeiten gemalt – es müssen furchtbare Kleinigkeiten gewesen sein, soschlecht, man will es sich gar nicht vorstellen. Ihr Vater war lange krank und hat seine Stellung verloren – er war bei irgendeinem Wasserwerk angestellt –, und eine ihrer Schwestern ist seit kurzem verwitwet, mit Kindern und mittellos. Und so, da sie nun niemand anders geheiratet hat, Gelegenheiten hin oder her, scheint sie entschlossen, Mr. Porterfield, das geringste ihrer Übel, zu wählen. Aber sehr amüsant ist das nicht.«
»Nun«, urteilte ich schließlich, »das macht ihre Tat nur umso ehrenvoller. Sie bringt es lieber zu Ende, koste es, was es wolle, als ihn nach einer so langen Wartezeit zu enttäuschen. Es trifft zu«, fuhr ich fort, »dass eine Frau, wenn sie aus Ehrgefühl handelt …«
»Ja was, was ist dann?«, fragte Mrs. Nettlepoint, denn ich zögerte merklich.
»Sie übertreibt oft maßlos, und das kommt jemandem teuer zu stehen.«
»Sie sind wirklich unverschämt. Wir müssen alle immerzu bezahlen, sowohl für die Tugenden wie die Laster der anderen.«
»Eben deswegen werde ich Mr. Porterfield bedauern, wenn sie mit ihrer kleinen Rechnung von Bord geht. Ich meine, mit zusammengebissenen Zähnen.«
»Sie beißt die Zähne überhaupt nicht zusammen. Sie ist ganz gefasst.« – Mrs. Nettlepoint konnte sich dafür verbürgen.
»Nun, wir müssen alles versuchen, damit es so bleibt«,sagte ich. »Sie müssen darauf achten, dass Jasper keine Unachtsamkeiten begeht.«
Ich konnte nur vermuten, welche Gedankenkette diese harmlose Nettigkeit bei der guten Dame ausgelöst hatte, am Ende kam sie jedenfalls zu dem folgenden Schluss: »Also ich habe sie nie gebeten, sich uns anzuschließen. Darüber bin ich sehr froh. Die Verantwortung tragen sie allein.«
»Die Verantwortung tragen sie – Sie meinen Jasper und sie?«
»Aber nein. Ich meine ihre Mutter und Mrs. Allen und natürlich auch das Mädchen. Sie haben sich uns gewaltsam aufgedrängt.«
»O ja, das kann ich bezeugen, und darüber bin ich ebenfalls froh. Ich glaube, dieser Kelch wäre sonst an uns vorübergegangen.«
»Sie nehmen das so ernst!«, rief Mrs. Nettlepoint belustigt.
»Ach, warten Sie ein paar Tage!« – und ich erhob mich und ließ sie allein.
Kapitel III
Die Patagonia war langsam, aber geräumig und bequem, und ihr gemächliches wiegendes Schaukeln und ihre brausende altmodische Gangart, das mannigfaltige Rauschen des Kielwassers wie von tausend schicklichen Unterröckenzeugten von mütterlichem Anstand. Es schien, als wollte sie keinesfalls mit dem nassforschen Eifer eines jungen Dings im Hafen einlaufen. Wir waren zu wenige, um einander auf die Füße zu treten, doch nicht so wenige, um einander beizustehen – mit jener Vertraulichkeit und Leichtigkeit, die Personen und Gegenstände auf der großen leeren Weite des Ozeans und unter dem großen hellen Glas des Himmels annehmen. Ich hatte das Meer nie zuvor so inniglich geliebt, eigentlich hatte ich es nie gemocht, doch nun wurde offenbar, wie angenehm es sich in einer mittsommerlichen
Weitere Kostenlose Bücher