Überfahrt mit Dame
traurige Bürde tragen. Ich weiß, dass die meine schwer genug ist.«
»Ihre, Mr. Forrest! Haben Sie nicht all die freudvollen Erinnerungen, auf die Sie zurückgreifen können, und jede Hoffnung auf die Zukunft? An was kann ich mich erinnern oder worauf kann ich hoffen? Aber es ist schon fast acht Uhr, sie werden alle längst beim Tee sitzen. Was wird mein Zerberus zu mir sagen? Das Gerede des Mannes wäre mir egal, wenn man nur die beiden Frauen zum Schweigen bringen könnte.« Dann erhob siesich und ging zurück nach achtern. Als sie in ihren Sessel glitt, merkte sie, dass Mrs. Mürrisch ihr auf die Finger sah.
Die Weiterreise nach St. Thomas verlief in gewohnter Manier. Die Sonne brannte heiß, und die Passagiere im unteren Deck des Schiffs klagten laut darüber, dass ihre Bullaugen verschlossen waren. Die Spanier saßen den ganzen Tag in der Kabine und spielten Karten, und die Damen bereiteten sich auf den allgemeinen Aufbruch vor, der in St. Thomas stattfinden würde. Das Bündnis zwischen Forrest und Miss Viner blieb so gut wie unverändert, und Mrs. Mürrisch sagte höchst unfreundliche Dinge. Einmal wagte sie es, Miss Viner eine Strafpredigt zu halten, doch jene Dame wusste zu parieren, und Mrs. Mürrisch kam dabei nicht gut weg. Ich sagte bereits, dass das Bündnis unverändert blieb, doch darf man sich nicht vorstellen, dass eine der beiden Personen irgendein Unrecht beging. Sie saßen zusammen, unterhielten sich, und jeder kannte nun die Lebensumstände des anderen, doch wenn einige der Damen sich nicht als prüde Sittenwächter aufgespielt hätten, wäre daran nichts falsch gewesen. Nur wenige Passagiere kümmerte es wirklich, ob Miss Viner einen Verehrer gefunden hatte oder nicht. Die meisten, die weiter nach Panama reisten, waren Spanier, und als die große Trennung näher rückte, hatten die Leute andere Dinge im Kopf.
Dann kam der Moment des Abschieds. Sie liefen früham Morgen in jenen hübschen Hafen von St. Thomas ein, und die meisten ahnten nicht, dass sie im übelsten Zentrum des Gelbfiebers inmitten all dieser von Krankheiten heimgesuchten Inseln ankerten. St. Thomas sah, vom Schiff gesehen, wunderschön aus, und wenn das gesagt ist, hat man alles gesagt, was zu dessen Gunsten vorgebracht werden kann. Damals herrschte dort ein geschäftiges Treiben. Ein Boot nach dem anderen steuerte längsseits des großen englischen Schiffes, und jedes nahm einen Teil der Passagiere und des Gepäcks an Bord. Als Erstes legte das Boot ab, das zu den Leeward Islands und nach Demerara fuhr mitsamt Mr. Mürrisch und seiner ganzen Familie.
»Auf Wiedersehen, Miss Viner«, sagte Mrs. Mürrisch. »Ich hoffe, Sie kommen gut ans Ziel Ihrer Reise, aber passen Sie auf sich auf.«
»Ich bin mir sicher, dass alles gutgehen wird«, sagte Amelia, als sie doch tatsächlich ihre Feindin küsste. Erstaunlich, wie sehr sich junge Frauen hassen können und einander zum Abschied dennoch küssen.
»Dass alles gutgeht«, sagte Miss Viner, »wage ich nicht zu hoffen. Aber ich glaube auch nicht, dass irgendetwas wirklich schiefgeht. Auf Wiedersehen, Sir«, und sie reichte Mr. Mürrisch die Hand. Er verließ gerade das Schiff, beladen mit Regenschirmen, Stöcken und Mänteln, und musste die Last absetzen, um eine Hand frei zu haben.
»Nun, auf Wiedersehen«, sagte er. »Ich hoffe, Sie kommen zurecht, bis Sie Ihre Freunde am Isthmus treffen.«
»Ich hoffe, das werde ich, Sir«, erwiderte sie, und so gingen sie auseinander. Dann legte das Postschiff nach Jamaika ab.
»Wir werden uns wohl nie wiedersehen«, sagte Morris, als er seinem Freund herzlich die Hand schüttelte. »So ist es immer. Mischen Sie sich nicht in die Rechte jenes Gentlemans in Peru ein, oder er stößt ihnen vielleicht ein Messer ins Herz.«
»Ich habe nicht die Absicht, ihm in dieser Hinsicht zu schaden.«
»Gut so, und nun leben Sie wohl.« Und so trennten sich auch diese beiden. Am nächsten Morgen brach das Schiff der Nebenlinie nach Mexiko auf, und dann, am Nachmittag des dritten Tages, jenes nach Colón – wie wir Engländer die Stadt an der Ostküste des Isthmus von Panama nennen. An Bord dieses Schiffs begaben sich Miss Viner und Mr. Forrest mitsamt ihrem Gepäck, und nun, da der dreiköpfige Zerberus verschwunden war, zögerte sie nicht länger, ihm zu erlauben, all die kleinen Dinge für sie zu tun, die Männer für Frauen auf Reisen aus gutem Grunde tun sollten. Eine Frau ist unter solchen Umständen ohne Hilfe ziemlich verloren, sie wird leicht
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