Überfahrt mit Dame
sein?
»Ich frage mich, ob er schon am Bahnhof wartet?«, sagte sie, als sie seit fast drei Stunden unterwegs waren. Forrest merkte, dass ihre Stimme beim Sprechen zitterte und dass sie allmählich nervös wurde.
»Wenn er Panama schon erreicht hat, wird er dort sein. Soviel ich weiß, wurde die Ankunft des Dampfers aus Peru nicht telegrafiert.«
»Dann habe ich einen weiteren Tag – vielleicht zwei. Wir wissen nicht, wie viele. Ich wünschte, er wäre dort. Nichts ist so unerträglich wie bange Erwartung.«
»Und die Reisetruhe muss wieder geöffnet werden.«
Als sie den Bahnhof in Panama erreichten, erfuhren sie, dass das Schiff von der Küste Südamerikas in der Reede lag, doch die Passagiere waren noch nicht von Bord gegangen. Deshalb begleitete Forrest Miss Viner zum Hotel und blieb dort neben ihr im Gästesalon sitzen, nachdem sie aus ihrem Schlafzimmer zurückgekehrt war.Man konnte davon ausgehen, dass sie vier oder fünf Tage bleiben mussten, und Forrest hatte rasch ein Zimmer für sie gesichert. Er hatte ihr mit dem Gepäck geholfen, hatte ihre Reisetruhe untergebracht und wurde deswegen von den Menschen im Hotel als ihr Freund angesehen. Dann kam die Nachricht, dass die Passagiere an Land gingen, und er wurde ebenso nervös wie sie. »Ich werde ihm entgegengehen«, sagte er, »und ihm sagen, dass Sie hier sind. Ich werde ihn bald finden, ich weiß ja, wie er heißt.« Und er ging hinaus.
Jeder kennt das Durcheinander, das herrscht, wenn die Passagiere eines großen Schiffs in einem Hotel eintreffen. Als Erstes kamen zwei oder drei energische, erhitzte Männer, die sich mittels Brüllen und Drängeln zur Rezeption vorgearbeitet hatten. Sie bekommen stets die schlechtesten Zimmer in den Gasthöfen, weil die Wirte glauben, dass die reichsten Gäste am meisten Gepäck haben und sich deswegen langsamer bewegen. Vier oder fünf Personen dieses Schlages gingen im Vestibül an Forrest vorbei, doch er war nicht dazu geneigt, ihnen Fragen zu stellen. Einer von ihnen hätte, vom Alter her, Mr. Gorloch sein können, doch er stellte sich gleich als Graf Sapparello vor. Dann kam ein älterer Mann, der eine kleine Tasche in der Hand trug. Er war einer von jenen, die sich rühmen, ohne Lasten von Pol zu Pol zu reisen, und die niemanden brauchen, der ihr Gepäck trägt. Da er allein auf der Straße ging, wandte sich Forrest an ihn. »Gorloch«,sagte dieser. »Gorloch. Sind Sie mit ihm befreundet?«
»Eine Freundin von mir ist es«, sagte Forrest.
»Ach, tatsächlich, ja«, sprach der andere. Dann zögerte er. »Sir«, sagte er, »Mr. Gorloch ist in Callao gestorben, nur sieben Tage bevor das Schiff ablegte. Sie sollten lieber mit Mr. Cox sprechen.« Und dann ging der ältere Mann mit der kleinen Tasche weiter.
Mr. Gorloch war tot. »Tot!«, sagte Forrest zu sich selbst, während er sich gegen die Hotelwand lehnte, denn er befand sich immer noch auf dem Bürgersteig. »Sie ist hierher gereist, und er ist gestorben!« Tausend Gedanken stürmten auf ihn ein. Wer sollte es ihr sagen? Und wie würde sie darauf reagieren? Wäre es tatsächlich eine Erleichterung für sie, herauszufinden, dass ihr die ersehnte Freiheit gewährt wurde? Oder würde sie nun, da ihre Gefühle auf die Probe gestellt wurden, den Verlust eines Zuhauses und des Wohlstands und des Ranges, den sie in Peru eingenommen hätte, bedauern? Und vor allem: Würde sie der Tod von jemandem, der ihr so nahe hätte stehen sollen, ins Herz treffen?
Aber was sollte er tun? Wie sollte er seine Freundschaft beweisen? Er kehrte langsam zurück zur Hoteltür, wo sich nun Scharen von Männern und Frauen drängten, als er von einem älteren gutaussehenden Gentleman angesprochen wurde, der ihn fragte, ob er Forrest heiße. »Man sagte mir«, erwiderte der Gentleman, nachdem Forrestihm geantwortet hatte, »dass Sie ein Freund von Miss Viner sind. Haben Sie die traurige Nachricht aus Callao gehört?« Dann stellte sich heraus, dass jener Gentleman nicht mit Mr. Gorloch bekannt gewesen war, es aber auf sich genommen hatte, Miss Viner einen Brief auszuhändigen. Dieser Brief wurde Mr. Forrest übergeben, und nun war es an ihm, seiner armen Freundin die Nachricht zu überbringen. Was immer er tun wollte, er musste es gleich tun, denn alle, die mit dem Pazifikdampfer eingetroffen waren, kannten die Geschichte, und es war seine Pflicht, zu verhindern, dass Miss Viner die Neuigkeiten unvermittelt und aus dem Mund eines Fremden erfuhr.
Er ging hinauf in den Salon und fand
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