Überfall im Hafen
erreichte das Achterdeck.
Heldt lehnte an der Reling, rücklings,
ließ einen Arm hinüber hängen und wirkte, als sei er bereits auf dem Wege in
eine bessere Welt. Bewußtlos! Total bewußtlos.
Lotzke beugte sich über ihn.
In diesem Moment bemerkte er Heldts
weit geöffneten Kragen.
Die beiden obersten Knöpfe waren
abgeplatzt, die Krawatte — ein scheußliches Ding in Gelb und Hellgrün — hing schief.
Von der Schnur, die den Brustbeutel
hielt, sah man nichts.
Aber Lotzke wußte: Er war da. Gefüllt
mit Geld. Und mit einem Safe-Schlüssel.
Damit fiel die Entscheidung.
Lotzke blickte zum Niedergang. Nichts!
Niemand! Kein Zeuge!
Mit einem Ruck riß er Heldts Hemd
weiter auf.
Auch der dritte Knopf wurde abgetrennt,
hüpfte über die Planken und verschwand in einer Ritze.
Lotzke faßte den Brustbeutel und zerrte
ihn über Heldts dicken Kopf.
Aber die Schnur verhängte sich — an
einem Ohr.
Lotzke zerrte, wandte Kraft auf,
keuchte, weil er das Geld durchs Leder fühlte, und riß Heldts Ohrläppchen ein.
Blut tröpfelte. Jetzt hatte er den
Brustbeutel.
Für einen Moment schwindelte ihm.
Dann stopfte er die Beute in die Tasche
und rannte zurück.
Phantastisch! Kein Verdacht würde auf
ihn fallen. Doch nicht auf ihn. Nein! Drei Kriminelle, drei Rocker hatten Heldt
böse zugerichtet. Der verlor das Bewußtsein. Und was dann geschah, war doch
sonnenklar: Raub! Daß die drei ihn beraubt hatten, würde Heldt der Polizei
sagen.
Lotzke war außer sich. Der Triumph
umnebelte sein Gehirn. Er rannte zu seinem Platz zurück und fühlte immer wieder
nach dem Brustbeutel.
Daß er seinen Musterkoffer vergessen
hatte, merkte er nicht.
Sein täglicher Begleiter, wenn er
unterwegs war, lag neben Heldt auf der Bank.
13. Erste
Hilfe
Toll, dieser Hafen! dachte Tim.
Auch seine Freunde bestaunten alles.
Oma sagte, nun sehe sie ihre
Heimatstadt endlich mal wieder von der Wasserseite.
Sauerlich war eine große Kurve
gefahren, hatte alles gezeigt wie ein Fremdenführer und erklärt, soweit er’s
wußte. Als da waren: Freihafen, Zollamt, Stückgutschuppen und Schwimmkran.
Bunkerboote, Stückgutfrachter, Bugsierschlepper, Schwimm- und Trockendock.
Verladebrücke, Werftkran, Hafenkrankenhaus, Hafenamt und Wasserstandsanzeiger.
Der TKKG-Bande schwirrten die Köpfe.
„Dort legen wir jetzt an“, meinte
Sauerlich, als sie sich einer Landungsbrücke näherten, die verlassen wirkte wie
ein Krater auf dem Mond.
„Dort?“ fragte Tim. „Ist das nicht für
die Fährschiffe?“
„Richtig. Denen darf ich den Platz
nicht wegnehmen. Aber ein Stück weiter vorn geht’s. Ich springe dann rasch mal
an Land. Heldts Kontor ist ganz in der Nähe. In zehn Minuten bin ich zurück.“
„Hoffentlich!“ meinte Oma. „Es könnte
ein Sturm aufkommen, wenn du dich verspätest. Dem sind wir dann ausgeliefert.“
Das war offenbar nicht ernst gemeint.
Denn am Himmel zeigte sich noch immer kein Wölkchen. Für die nächsten Tage war
eine Schönwetter-Periode angesagt.
Das Anlegen glückte. Sauerlich hatte
nichts verlernt.
Sie sahen ihm nach, als er
losstiefelte.
Schmuck sah er aus — in seiner weißen
Segler-Kluft. Nur die Kapitänsmütze war blau.
Das Boot dümpelte. Oma wechselte ihren
Schirm in die andere Hand. Der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen hatte sich
geändert.
Klößchen vertilgte bereits die zweite
Hälfte seiner Schokolade.
Karl blickte umher und bewegte die
Lippen, als lerne er auswendig.
Gaby zog einen kleinen Spiegel aus
ihrer Umhängetasche und prüfte ihr Gesicht.
„Siehst hinreißend aus“, sagte Tim.
„Darum geht’s nicht. Es juckt auf der
Nase. Ich dachte, es wäre Sonnenbrand. Ist es aber — Gott sei Dank! — nicht.“
„Kinder, ist das ein schöner Tag
heute“, rief Oma. „Und so friedlich. So soll es auch sein — sonntags. Wenn ich
da an den gestrigen Tag denke. Mein Gott! Mein Gott! Einbrecher bei Otto. Und
die Bilks, diese Menschen, lassen ihrer Gier freien Lauf. Man schämt sich ja,
daß sie zu den Nachbarn gehören.“
„Da ist es wie mit den Gästen“, meinte
Karl. „Man kann nicht die Hand für sie ins Feuer legen. Schon mancher hat sich
benommen, daß er von allen Einladungslisten gestrichen wurde. Und mit den Bilks
wird wohl in der Herzroder Allee niemand mehr reden.“
„Niemand!“ nickte Oma. „Man kann nur
hoffen, daß sie ihr Haus verkaufen und wegziehen.“
Klößchen wischte sich den Mund. Dann
streckte er den Arm aus und wies in unbestimmte Ferne.
„Nachher
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