Überfall im Hafen
sei Dank! — der Polizeiwagen
fuhr ab.
In seinem chaotischen Allzweck-Raum
ließ er sich vor der Bettcouch auf die Knie nieder.
Mit einem Kleiderbügel stocherte er in
der staubigen Bodenfreiheit herum und holte Heldts Brustbeutel hervor.
Endlich konnte er sich der Beute
widmen.
Er setzte sich an den Tisch, trank den
Rest aus der Bierflasche und öffnete den Brustbeutel.
Das dicke Geldbündel bestand
überwiegend aus Hundertern. Er begann zu zählen. Je länger es dauerte, um so
höher stieg seine Stimmung.
Es waren 6450 DM.
Lohnend! Dafür mußte er verdammt lange
arbeiten bei diesem Halsabschneider.
Und jetzt der Schlüssel!
Er hatte sich nicht getäuscht — vorhin
in Heldts Kontor. Ein flacher, kompliziert geformter Sicherheitsschlüssel lag
unten drin.
Lotzke betrachtete ihn eine Weile.
Kein Zweifel! Der gehörte zu einem
Safe. Aber im Kontor war kein Safe. Hatte Heldt einen kleinen, modernen
Geldschrank in seiner Bude? Vermutlich.
Meine Chance! dachte Lotzke. Wenn ich
die nicht nutze, bin ich selber schuld. Heldt liegt im Krankenhaus. Bei ihm zu
Hause ist tote Hose. Also kann ich, werde ich, muß ich mich dort umsehen. Bin
sicher, der macht noch andere Geschäfte — von denen ich nichts weiß. Mit dem
Fitto-Top-Mist ist ja nichts zu verdienen. Aber wer weiß, welchen Goldesel der
außerdem im Stall hat! Und ich kann’s gebrauchen.
Er beschloß, das Vorhaben nicht auf die
lange Bank zu schieben, wie es sonst seine Art war, sondern noch heute zu
handeln.
*
Der Polizeiwagen fuhr an der
Mietskaserne vorbei, bog um die Ecke und hielt.
„Ihr bleibt hier“, sagte Ohnesorge.
Er und Polizeimeister Hornrich stiegen
aus.
Die TKKG-Bande blickte durchs
Heckfenster.
Die beiden Beamten marschierten...
nein, schlenderten zu der Mietskaserne zurück.
Skin Brehbörtl wohnte dort. Vermutlich.
Denn die Polizei-Zentrale hatte den Namen Brehbörtl nur einmal entdeckt — trotz
der beachtlichen Größe der Hafenstadt.
Es gab eine Alwine Brehbörtl unter
jener Adresse. Vielleicht hatte die Frau einen mißratenen Sohn namens Skin.
Wenn das zutraf, war man hier richtig.
„Dein Vater“, sagte Klößchen zu Gaby,
„hätte uns mitgenommen. Aber Ohnesorge hat keine Ahnung von Demokratie (Volksherrschaft
- Mitbestimmung aller).“
„Er glaubt eben noch nicht, wie
nützlich wir sind“, meinte Tim. „Ich werde mir mal die Füße vertreten. Bin
gleich wieder da.“
„Hiergeblieben!“ Gaby hielt ihn am
Kragen fest. „Du behinderst die Ermittlungen.“
„Bestimmt nicht. Ich luchse nur um die
Ecke. Einer fällt nicht auf. Zu viert würden wir auffallen.“
Keiner wollte mit. Der Bazillus (Krankheitserreger) der Müdigkeit hatte sie befallen. Vielleicht lag’s auch an der Hitze. Klößchen
gähnte. Gaby hatte die dunklen Wimpern gesenkt und blickte wie ein Schlafzimmer.
Karl hing ziemlich schlaff in der Ecke.
Tim stieg aus und rannte los.
Als er in die Straße einbog, sah er
Ohnesorge und Hornrich. In diesem Moment traten sie in den Wohnsilo.
Tim benötigte 5,4 Sekunden bis zum
Eingang. Die Tür stand offen. Im Parterre-Flur lehnten vier Fahrräder an der
Wand.
Schritte entfernten sich treppauf.
Ohnesorge hatte Gummisohlen, die etwas quietschten. Hornrichs Tritt klang
härter.
Tim hielt sich nicht auf mit dem
Namensverzeichnis neben den Klingelknöpfen. Das hatten die beiden schon
erledigt.
Lautlos erklomm er die Stufen, auf
Abstand bedacht. Ohnesorges Unmut sollte nicht geweckt werden.
Jetzt verstummten die Schritte. Das war
im dritten Stock.
Tim befand sich eine Etage tiefer. Er
verhielt, den Blick auf die interessanten Bleistift-Mitteilungen gerichtet, die
an den Wänden prangten.
Wer wen und wie innig liebte, war da
kundgetan. Andere Infos beschrieben den Geisteszustand gewisser Bewohner.
Vermutlich bezog sich alles auf den Nachwuchs, denn nur Vornamen waren genannt.
Auch die beigefügten Illustrationen (Bebilderung) ließen darauf
schließen, daß die Künstler noch der Grundschule angehörten.
Offenbar hatte man oben geklingelt.
Eine Tür wurde geöffnet.
„Tag“, sagte Ohnesorge. „Frau
Brehbörtl?“
„Ja. Bin ich.“ Die Stimme klang alt und
leidgeprüft. „Polizei. Ich seh schon. O Gott! Hat Baldur was angestellt?“
„Das wollen wir nicht hoffen, Frau
Brehbörtl. Aber reden müssen wir mit ihm. Hört B aldur — Ihr Sohn, nehme ich an
— auf den Spitznamen Skin?“
„Ja. Ein dummer Name, nicht wahr?
Baldur ist doch viel schöner.“
„Viel schöner. Können wir
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