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Überfall nach Ladenschluß

Überfall nach Ladenschluß

Titel: Überfall nach Ladenschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Gina fände
einen Freund von deinem Format.“
    „Sie findet
bestimmt einen Besseren“, erwiderte Tom und machte vor lauter Bescheidenheit
ein Schafsgesicht. „Sie ist wirklich ein prima Mädchen. Machen Sie sich da
keine Sorgen. No, no, Signore! Um Gina werden sich die Typen noch reißen. Und
um Sabrina Aiano auch. Die beiden könnten Schwestern sein.“
    „Sie sind
sich tatsächlich ähnlich.“
    Marano
öffnete eine Cola-Flasche und schob sie ihm hin.
    „Du hast
bestimmt Durst.“
    Sie tranken
beide.
    „Bis jetzt
ist er nicht gekommen“, sagte Tom. „Aber ich habe so ein Gefühl. So ein
warnendes Kribbeln — hier!“
    Er tippte
auf die Stelle, wo er sich gestern an dem Ast gestoßen hatte. Über der
Magengrube war die Haut blau angelaufen und verschorft. Es tat auch weh, aber
eigentlich nur, wenn er lachte.
    „Du meinst,
er kommt noch?“
    Tom nickte.
„Mein Instinkt ist fast so zuverlässig wie die Wettervorhersage. Ich spüre:
Heute begegne ich dem Roten.“ Er sah auf die Uhr. „Aber dann müßte er bald
kommen. Sie wissen ja, ich bin mit Locke in Ober-Plösel verabredet.“
    Marano
trank einen Schluck Cola. „Ich glaube, ich kann jetzt mal nach Gina sehen.“
    Sie war den
ganzen Tag im Bett geblieben: verängstigt und blaß. Körperlich fehlte ihr
nichts. Aber im Nachhinein hatte der brutale Überfall einen Schock ausgelöst,
mit dem das zarte Mädchen nicht so schnell fertig wurde. Sie hatte begriffen,
wie knapp sie entkommen war.
    Marano ging
zum Wohnhaus hinüber.
    Zwei Wagen
rollten vor die Zapfsäulen.
    Tom beeilte
sich, den PS-Dompteuren zu Diensten zu sein.
     
    *
     
    Nur noch
langsam rollte die S-Bahn. Aber Lockes Herz raste.
    Nichts
hatte sie gewarnt, kein Instinkt, keine Vorahnung.
    Jetzt griff
ihr der Schreck mit eisiger Faust an die Kehle.
    Er ist es!
Mein Gott! Und er sieht, daß ich ihn erkenne. Ich kann nicht raus! Halt an,
blöder Zug! Himmel, ich bin allein mit diesem Kerl. Hat er sein Rasiermesser
bei sich? Oder — ja, der Rote ist bewaffnet. Er hat eine Pistole. Das stand in
der Zeitung.
    Sie
zitterte. Mit einer Hand faßte sie den Türgriff, mit der andern den Riemen
ihrer Schultertasche, als wäre das der sprichwörtliche Strohhalm der Rettung.
    Sie wollte
den Blick abwenden, aber sein Gesicht hielt ihn fest. Es war glatt, nicht
unhübsch und sonst sicherlich gelassen wie bei einem Wahlkampf-Politiker. Jetzt
drückte Tücke ihre harten Linien in die Haut, und die Augen wurden zu
Schlitzen.
    Er schob
einen Fuß vor.
    Lockes Herz
hüpfte in die Kehle.
    Er will
aufspringen! Und mich aus dem Zug stoßen. Wo ist der Schaffner? O weh! Auch der
nächste Waggon ist leer. Ich bin allein, ihm ausgeliefert. Jetzt... jetzt...
    Seine
Haltung war sprungbereit. Aber er zögerte noch. Offenbar überraschte das
Zusammentreffen auch ihn.
    Die S-Bahn
hielt.
    Locke
taumelte. Verzweifelt zerrte sie am Griff. Endlich ließ sich die Tür öffnen.
    Sie sprang
auf den Bahnsteig. Regen traf ihr Gesicht. Ein Wolkenbruch. Sie hatte es nicht
bemerkt. Jetzt regnete es Bindfäden, die Luft war schwadig, die Landschaft mit
grauen Schleiern verhangen. Kübelinhalte schienen sich auf ihren Hut zu
ergießen. Sie rannte los — nach Ober-Plösel hinein. Über die Schulter blickte
sie zurück.
    Da kam er.
    Er trug
einen braunen Anzug und ein gelbes Hemd. Wie gestern. Auch er rannte.
    Er folgt
mir. Verfluchter Kerl! Hau ab! Was willst du? Bring dich in Sicherheit! Fahr
weiter mit der S-Bahn. Aber die ist ja schon weg. Und weit und breit kein
Mensch.
    Regen
platschte. Fette Tropfen knallten auf die Straße und sprangen hoch wie
Gummibälle. Dämmerung war angebrochen, weil der Himmel kein Licht sandte. Schon
gurgelte Wasser im Rinnstein, und an den Gullys schäumte es.
    Locke
rannte, so schnell sie konnte. Sie war schon naß bis auf die Haut, und die
Hutkrempe neigte sich.

    Wieder
blickte sie zurück.
    Er war
nicht näher gekommen, aber er folgte ihr, beharrlich wie ein Fährtenhund. Etwa
50 Meter hinter ihr hastete seine wuchtige Gestalt durch die Regenschleier.
    Ich muß es
schaffen, dachte sie. Bis zu Kathie. Dort bin ich in Sicherheit. Wir können uns
einschließen und die Polizei verständigen und... Verdammt und aufgeplatzt! Sie
hat ja kein Telefon. Kein Telefon dort draußen! Das müßte verboten sein.
Aber... ja, ihr Freund ist da! Lieber Wilhelm Hartmann! Hoffentlich bist du
kein Hasenfuß, sondern wenigstens zehn Prozent so stark und mutig wie Tom. Dann
kann der Rote was erleben. Hoffentlich, Wilhelm

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