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Überfall nach Ladenschluß

Überfall nach Ladenschluß

Titel: Überfall nach Ladenschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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seit langem nach einer Möglichkeit. Aber keine Idee
taugte was. Er hatte alle verworfen.
    An diesem
Samstagabend tafelte Carezzo bei seiner Freundin. Sie hieß Irmgard Möhring und
war fünf Jahre älter als er, ein spätes Mädchen und eigentlich nett; aber aus
Liebe, was sie seelisch zu einem Klammeräffchen machte, war sie zu Carezzos
Mitwisserin geworden.
    Irmgard
wußte, was er trieb, daß er zur Mafia gehörte, daß er Schutzgeld kassierte von
unschuldigen Opfern und — ungeschminkt gesehen — ein Verbrecher war.
    Sie litt
darunter. Sie versuchte, ihn davon abzubringen, wußte aber, daß ihr das niemals
gelingen würde. Trotzdem gab sie ihn nicht auf. Weil sie sich vor der
Einsamkeit fürchtete und nicht hoffen konnte, einen neuen Partner zu finden.
    Sie saßen
jetzt am Tisch. Irmgards Wohnung war klein, aber fein. Carezzo hatte seine
Jacke abgelegt. Unter dem weißen Hemd wabbelte allerhand Fett. Aber Irmgard
fand ihn stattlich. Nie hätte sie eingestanden, daß er rumlief wie ein
Mastschwein. Sie liebte auch seine Schmalzlocken und störte sich nicht an der
Narbe auf seiner Wange — jedenfalls nur sehr wenig. Immerhin vermied sie es,
ihn auf diese Wange zu küssen. Die andere war ihr lieber.
    Sie hatte
italienisch gekocht.
    Carezzo
matschte mit Gabel und Löffel in Teigwaren und Fleischsoße rum.
    „Schmeckt
es dir, Liebling?“
    Er nickte.
Zwei Spaghetti hingen ihm aus dem Mund. Sein Blick war nach innen gekehrt, sein
gefräßiger Mund noch nicht sehr gesprächig. Redselig wurde er frühestens nach
dem dritten Glas Wein.
    Für den
hatte Irmgard gesorgt. Sie trank den Chianti Classico genau so gern wie er.
    „Die
Stimmung ist schlecht“, sagte er durch einen Knäuel von Spaghetti.
    „Was?“
fragte sie erschrocken. „Ist was nicht richtig? Was stört dich? Ich gebe mir
doch solche Mühe...“
    „Ich meine
doch nicht hier“, beruhigte er sie. „Bei dir, meine Madonna, ist es immer
friedlich und schön. Ich meine die Stimmung in unserem Verein.“
    „Ach so.“
Sie nickte und legte ihm zum zweiten Mal auf.
    Nachdenklich
betrachtete er sie. Nein, hübsch war sie nicht und schon ziemlich welk. Aber
treu und verläßlich. Außerdem mochte er Blondinen — auch wenn sie klein und
verhuscht waren. Hm! Wie blond war ihr Haar eigentlich, wenn sie’s nicht
regelmäßig färbte?
    Er leerte
sein Glas, füllte sich nach bis zum Rand, trank abermals und fühlte die
angenehme Glut.
    „Warum ist
die Stimmung schlecht?“ fragte Irmgard. Sie kannte niemanden aus seinem,
Verein’, wie er den hiesigen Zweig der Mafia nannte. Aber sie wollte Interesse
zeigen für alles, was Giuseppe betraf.
    „Der Chef
wütet. Und wenn Marcello Cordone wütet, dann fliegen die Fetzen. Er kennt kein
Erbarmen. Er geht über Leichen. Ich möchte nicht in der Haut des Roten
stecken!“
    „Des Roten?
Meinst du diesen Verbrecher mit der roten Maske?“
    Carezzo
nickte. „Er pfuscht uns dazwischen.“
    „Ach?“
    „Bisher
haben sich unsere Interessen nicht berührt. Wir kassieren die Schutzgelder und
machen unsere anderen Geschäfte. Er überfällt Banken, Läden und was-weiß-ich.
Aber jetzt...“Er schwieg bedeutungsvoll.
    „Ja, was
ist jetzt?“
    „Der Rote
wildert in unserem Revier.“
    Sie
verstand nicht, was er meinte.
    „Er hat die
Unverschämtheit, Geld abzuholen, das uns gehört“, erklärte Carezzo. „Verstehst
du? Zwei Gourmet-Lokale, die hohe Schutzgelder zahlen, wurden von ihm abgefegt.
Bei Franco und bei Carlo war er. Maskiert, versteht sich. Hat behauptet, er
wäre der neue Kassierer. Hat das Geld genommen — und für sein persönliches
Wohlergehen noch einen großen Schein dazu. Mich gäbe es nicht mehr, hat er
behauptet, dieser mißratene Sohn einer Kröte.“
    „Oh!“ Vor
Irmgards innerem Auge entstand das Bild eines Bandenkrieges. Wie es in der
Unterwelt zuging, wußte sie aus einschlägigen Filmen. Um Gottes willen! Wenn
nur Giuseppe nichts passierte. Die andern waren ihr wurscht.
    „Er weiß
also genau Bescheid, diese Ausgeburt der Hölle“, grunzte Carezzo. Er hatte sich
den Mund gefüllt mit felsigem Parmesan-Käse.
    „Richtig“,
steuerte Irmgard ihren Scharfsinn bei. „Dich muß erkennen. Und auch die Lokale,
wo du... eh... das Geld einziehst.“
    „Ich
wünsche ihm die Windpocken“, knirschte Carezzo. Er hatte auf was Hartes
gebissen. „Jedenfalls hat Cordone zur Treibjagd geblasen. Unsere Leute suchen
den Roten. Wenn sie ihn erwischen, wird es ihm leid tun, daß er je das Licht
der Welt

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