Überfall nach Ladenschluß
kommen, braucht man... na, ich würde sagen: Mit dem Wagen eine
Stunde.“
Gunter
pfiff unter seinem Rauhhaar-Schnurrbart hervor. „Das kann Hartmann nicht
gewesen sein. War der Täter maskiert?“
„Maskiert
und bewaffnet.“
„Was für
ein Geschäft?“
„Eine
Fachhandlung für Uhren. Schmuck führen sie auch. Aber nichts, wofür man
fünfstellig blechen müßte. Heute war dort langer Samstag und bis 16.30 Uhr
geöffnet. Der Rote kam kurz nach Ladenschluß. Offenbar kannte er die
Örtlichkeit. Er marschierte rein durch die Hintertür und hat einen netten
Fischzug gemacht. Zig teure Uhren, Bargeld, etwas Schmuck. Verletzt wurde
niemand. Der Geschäftsinhaber und die beiden Verkäuferinnen haben sich gefügt.“
„Und der
Überfall lief ab, wie es für den Roten typisch ist?“
„Genau so!“
„Müller,
ich merke doch. Da ist noch was.“
Müller, ein
junger Redakteur, lachte. „Stimmt, Chef. Dem Roten ist eine Panne passiert. Er
hat was verloren. Eine Verkäuferin sah, wie es ihm aus der Tasche fiel, als er
Beute hineinstopfte: ein Streichholz-Briefchen. Eins mit Reklame-Aufdruck. Er
preist eine Nachtbar an. Taifun-Bar nennt sie sich.“
„Muß neu
sein“, murmelte Gunter. Er hatte noch nichts gehört von dieser
Vergnügungsstätte. Allerdings — Bars gab’s in der Stadt wie Sand am Meer.
Gunter kannte nur die besten, wo er und Helga bisweilen einen Drink nahmen.
„Das könnte
eine heiße Spur sein, Müller.“
„Sie ist
leider schon kalt.“
„Waren Sie
dort?“
„Ich nicht,
aber die Kripo. Die Bar liegt in der Friedrichs-Straße und hat fast keine
Stammgäste. Nur Laufkundschaft. Schon viele hätten die Streichholz-Briefchen
eingesteckt, lautet die Auskunft. An jemanden, der figürlich wie der Rote Nr. 2
aussieht, will sich keiner erinnern. Keiner — das sind die Typen hinter der
Theke: ein Italiener und ein Deutscher.“
„Ich frage
mich: Wer ist der echte Rote und wer der Trittbrettfahrer (Nachahmer) ?“
„Gefährlich
sind sie beide. Vielleicht arbeiten sie zusammen.“ Müller lachte. „Vielleicht
wimmelt es von Roten in der Stadt, und wir denken, es war immer nur einer.“
„Bleiben
Sie am Ball“, sagte Gunter und legte auf.
Helga,
Locke und Tom hatten zugehört. Gunter ergänzte, was ihnen entgangen war.
„Kommt das
eigentlich häufig vor“, fragte Helga, „daß ein Verbrecher Nachahmer findet?“
„Häufiger
als man denkt“, nickte Gunter. „Der Grund liegt auf der Hand: Eine Methode, die
funktioniert, spricht sich rum. In unserem Fall hat der echte Rote für Angst
und Schrecken gesorgt. Er ist berüchtigt. Wer also als Roter auftritt, kann
damit rechnen, daß die Opfer keinen Widerstand leisten. Damit fährt er ab, der
Trittbrettfahrer, der Rote Nr. 2. Natürlich gehört kriminelle Energie dazu.
Wird er gefaßt, kann die Patsche sehr tief sein, in der er sitzt. Denn man wird
ihm Verbrechen anlasten, die er gar nicht begangen hat. Sondern der andere.“
„Was
unseren Roten betrifft, gibt es keinen Zweifel“, rief Locke. „Es war immer
derselbe. Er hat Sabine Habeschaden überfallen, Kathie und mich und ist auch
identisch ( personengleich ) mit Carlo Maranos Erpresser.“
Tom nickte.
„Ob Nr. 1 oder 2 — beide müssen gefaßt werden.“
„Was aber
nicht eure Aufgabe ist“, sagte Helga.
„Natürlich
nicht.“ Aus Lockes Glutaugen schoß ein Blick zu Tom hinüber — sozusagen mit
Lichtgeschwindigkeit. „Wir haben was Besseres vor. Wir gehen ins Kino.“
„Aha“,
nickte Gunter. „Und wann?“
„Heute. Der
Film läuft nur noch heute. Die Hauptvorstellung verpassen wir leider. Aber die
Spätvorstellung schaffen wir noch. Vorher gehen wir ein Eis essen. Nett, daß
ich noch Ausgang habe, Papi.“
„Bis jetzt
habe ich das mit keiner Silbe erlaubt.“
Lockes
Lächeln war die Lieblichkeit selbst. Ehe sich Gunter versah, saß sie auf seinem
Knie.
„Aber ich
weiß, daß du’s erlaubst, Papilein“, flötete sie — und kraulte ihn mit
Katzenpfoten unterm Kinn. „Nicht wahr? Wer solchen Schrecken überwunden hat wie
ich, der muß sich jetzt ablenken.“
„Soso, muß
du das, du Schlange. Dann geht, in drei Teufels Namen, ins Kino. Tom, paß auf
sie auf!“
8. Carezzo läßt sich berauben
Irmgards
Abendessen hatte ihn müde gemacht. Aber Carezzo trank unterwegs drei Espresso
und war wieder munter.
Er fuhr zum
Hauptbahnhof.
Der Abend
war lau. Im Bahnhofsviertel trieb sich allerlei Volk herum.
Carezzo
hielt auf dem Parkplatz und überzeugte
Weitere Kostenlose Bücher