Überfall nach Ladenschluß
— immer schon gewesen. Und unter Cordones Blick trocknete sein
Mund aus.
„Ich...
habe... wurde... Chef, es ist schrecklich! Man hat mich beraubt. Letzte Nacht
hat man mich... fertiggemacht.“
Cordone
strich mit dem Daumennagel über seinen Schnurrbart. „Willst du damit sagen, man
hat dir das Geld abgenommen?“
Carezzo
nickte. Er schwitzte auf der Oberlippe und unter den Achseln.
Die Stille
war so vollkommen wie unter einem Galgen um Mitternacht. Unerbittlichkeit
stand in Cordones Augen. Sein Blick richtete sich zur Tür.
„Enrico!
Vittorio! Kommt doch mal rein.“
Carezzo
spürte, wie sie hinter ihm eintraten. Er stand da wie ein Angeklagter vor
Gericht. Nein! dachte er. Ich bin nicht der Angeklagte. Ich bin das Opfer.
Anzuklagen sind diese verfluchten Burschen mit ihren Betäubungstropfen.
„Giuseppe
hat sich 128 000 Mark abnehmen lassen“, sagte Cordone. „Soviel ist es doch,
Giuseppe, wenn ich Überschläge. Nun erzähl mal.“
„Es... ist
nicht meine Schuld, Chef. Wer rechnet denn mit sowas. Ich wollte ja nur einen
Drink nehmen. Nicht eine Sekunde habe ich die Tasche aus den Augen gelassen.“
Er sprach rasch. Schweiß lief jetzt in Strömen. Sein Blick irrte zum Fenster.
In dem winzigen Garten auf der Rückseite tschilpten Sperlinge. „In... in der
Bar haben sie mich mit einem Betäubungsmittel flachgelegt. Sonst, Chef, hätte
ich das Geld mit meinem Leben verteidigt.“
„Welche
Bar?“
„Taifun-Bar,
nennt sie sich. In der Friedrichs-Straße. Das ist bei... Jedenfalls finde ich
sie wieder. Der Keeper hat mich zu ‘nem Cocktail eingeladen. Kaum hatte ich den
weg, wurde mir schwarz vor Augen. Im Freien bin ich aufgewacht. Die Brieftasche
haben sie mir gelassen, die beiden. Es war nämlich noch einer in der Bar. So
ein blonder Typ. Ein Deutscher. Ich bin dann zurück. Aber bei der Spelunke war
es dunkel, alles verrammelt, niemand war mehr da. Ich stelle mir vor, wie
überrascht die waren, als sie die Tasche aufmachten. Diese Summe! Bestimmt sind
sie abgehauen.“
Palena,
links hinter Carezzo, prustete. Carezzo zuckte zusammen, drehte sich aber nicht
um. Was, zum Henker, war daran lustig?
Cordones
Finger trommelten auf die Schreibtischplatte.
„Du hast
kläglich versagt, Giuseppe Carezzo. Daß kein Schaden entstand, ist nicht dein
Verdienst.“
„Kein...
kein Schaden?“ Carezzo verstand nicht.
„Kein
Schaden. Ernesto Grottole und Sigi Burkart — das sind die beiden — würden es
nämlich nie wagen, uns, die Mafia, zu berauben. Als sie das Geld zählten, wurde
ihnen plötzlich klar, wem es gehört. Noch während der Nacht riefen sie mich an.
Sie kamen dann her, lieferten deine Tasche ab und die gesamte Summe. 128 000
Mark. Außerdem haben sie sich natürlich entschuldigt.“
„Ent...
ent... schuldigt?“
„Ja.“
„Das...
ganze Geld haben sie gebracht?“ Carezzo glaubte zu träumen. Er fror. Sein Magen
war ein schmerzender Klumpen.
„Nicht ein
Pfennig fehlt.“
Cordone
bückte sich zur Seite und nahm die schwarze Aktentasche, die neben seinem
Sessel stand. Er legte sie auf den Tisch. Sie wurde geöffnet. Er schüttelte
sie. Gleich einer knisternden Lawine quoll das Geld heraus.
„Wir haben
schon nachgezählt, Giuseppe. Es sind 128 112 Mark.“
Carezzo
ächzte.
Der Laut
verhallte. Schweigen breitete sich aus.
Cordones
Augen glichen der Zwillingsmündung einer doppelläufigen Flinte.
Carezzo
versuchte zu denken. Aber blaß und schlaff hingen seine Gehirnzellen rum. Kein
Gedanke formte sich. Nur Leere im Kopf. Er begriff nichts. Doch sein Instinkt
lebte noch. Und er spürte Angst.
Das
Schweigen dehnte sich aus.
Leonessas
Zähne rieben aufeinander. Das Schaben klang schauerlich.
„Wie willst
du sterben, Giuseppe Carezzo?“ fragte Cordone. „Möchtest du, daß wir dich
erschießen? Oder hängen? Oder ersäufen? Vittorio hat an allem Spaß. Ich nehme
an, er kommt dir entgegen; und dein letzter Wunsch wird erfüllt.“
„Chef,
bitte…“ Carezzo winselte.
„Arrivederci,
Giuseppe! Das heißt, wiedersehen werden wir uns nicht mehr. Jedenfalls nicht
hier. Und ans Jenseits glaube ich nicht. War nett, dich gekannt zu haben.
Schafft ihn raus!“ wandte er sich an die beiden andern.
„Chef,
bitte...“, Carezzo fiel auf die Knie. „Bitte, laß dir erklären! Ich... habe es
doch nur getan, weil... Ich... stand unter Drogen. Ja, ich wußte nicht, was ich
tat. Ich flehe dich an! Schenk mir das Leben. Ich tue alles für unsere
Vereinigung. Alles. Keiner wird ihr und
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