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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Staaten reagierten überwiegend amüsiert und lachten
     über den Vorfall. Ihr Händedruck blieb unverändert. Ihr Cortisolniveau sank sogar, so als wollten sie unbewusst ihren Ärger
     abbauen. Nur wenige stellten sich vor, dass Steve handgreiflich wurde.
    |156| Und die Südstaatler? Du liebe Zeit, waren die sauer. Ihre Cortisol- und Testosteronspiegel schossen regelrecht in die Höhe.
     Ihr Händedruck war fest. Und Steve ließ seinen Ärger ordentlich an Larry aus.
    »Wir haben das Spiel noch ein Stückchen weiter getrieben«, erzählt Cohen. »Wir haben die Studenten noch einmal den Gang runtergeschickt,
     und es kommt ein anderer unserer Mitarbeiter um die Ecke. Der Gang ist blockiert, nur einer kommt durch. Unser Mann ist 1,85
     Meter groß und wiegt 120 Kilo, er ist ein ehemaliger Footballspieler, der jetzt als Rausschmeißer in einer Studentenkneipe
     arbeitet. Er kommt den Gang runter, als will er auf der anderen Seite der Bar eine Schlägerei beenden. Die Frage war: Wie
     dicht gehen sie an den Rausschmeißer heran, bevor sie Platz machen? Und glauben Sie mir, Platz haben sie alle gemacht.«
    Bei den Studenten aus dem Norden ergab sich kaum ein Unterschied zwischen den Beleidigten und den Nichtbeleidigten. Die Südstaatler
     waren unter normalen Umständen geradezu überhöflich und traten beiseite, wenn der Abstand noch mehr als drei Meter betrug.
     Und wenn sie beleidigt wurden? Dann ließen sie den Rausschmeißer bis auf einen halben Meter herankommen. Wird ein Südstaatler
     beleidigt, dann geht ihm das Messer in der Tasche auf. Im langen Korridor ihres Instituts erlebten Cohen und Nisbett die Kultur
     der Ehre in Aktion: Die Südstaatler reagierten wie Wix Howard, der gerade von Little Bob Turner beim Poker als Betrüger bezeichnet
     wurde.
    6.
    Kommt Ihnen diese Untersuchung nicht auch merkwürdig vor? Es ist eine Sache, wenn man feststellt, dass sich Menschen, die
     in ähnlichen Umständen leben wie ihre Vorfahren, auch ähnlich verhalten wie diese. Doch die Studenten in der eben beschriebenen
     Untersuchung leben nicht mehr in denselben Verhältnissen wie ihre schottischen und irischen Vorfahren. Möglicherweise kommen |157| ihre Vorfahren nicht einmal von den britischen Inseln. Sie sind nur zufällig alle im Süden der Vereinigten Staaten aufgewachsen.
     Keiner der Studenten war Hirte, genauso wenig wie die Eltern. Sie lebten Ende des 20. und nicht Ende des 19. Jahrhunderts.
     Sie waren Studenten der University of Michigan und studierten damit in einem der nördlichsten Bundesstaaten der USA. Das bedeutet,
     dass sie ausreichend weltoffen sein mussten, um Hunderte Kilometer von ihrer Heimat entfernt zu studieren. Aber das alles
     spielte keine Rolle.
Sie verhielten sich noch immer so, als lebten sie
im Harlan des 19. Jahrhunderts.
    »Die Teilnehmer an dieser Untersuchung kommen durchweg aus Familien mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 100 000
     Dollar«, erklärt Cohen. »Die Südstaatler, die so reagiert haben, sind keine Hinterwäldler. Sie sind vermutlich eher Kinder
     von Führungskräften aus der Coca-Cola-Zentrale in Atlanta. Und das ist die große Frage: Warum reagieren sie so? Warum sind
     sie noch Hunderte Jahre später betroffen? Warum verhalten sich diese Jungs aus den Vororten von Atlanta nach dem Ehrenkodex
     der Pioniere?« 21
    Unser kulturelles Erbe ist eine mächtige Kraft. Es ist tief verwurzelt und äußerst langlebig. Über Generationen hinweg überlebt
     es nahezu unverändert, selbst wenn die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen |158| und demografischen Rahmenbedingungen, die es hervorgebracht haben, längst verschwunden sind. Unser kulturelles Erbe ist derart
     zentral für unsere Einstellungen und unser Verhalten, dass wir unsere Welt ohne es gar nicht verstehen können. 22
    Im ersten Teil dieses Buches haben wir uns angesehen, wie sich Erfolg aus einer stetigen Akkumulation von Vorteilen ergibt:
     Wann und wo wir zur Welt kommen, wie unsere Eltern ihren Lebensunterhalt verdienen, unter welchen Umständen wir aufwachsen
     – all das wirkt sich entscheidend darauf aus, wie erfolgreich wir im Leben sind. Im zweiten Teil dieses Buches gehen wir der
     Frage nach, inwieweit Traditionen und Einstellungen, die wir von unseren Vorfahren erben, dieselbe Rolle spielen. Können wir
     lernen, warum Menschen erfolgreich sind, und können wir die Erfolgschancen von anderen verbessern, wenn wir ihr kulturelles
     Erbe ernst nehmen? Ich glaube ja.
     
20
In seinem

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