Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
erstaunlich oft übersehen. Wir glauben so
sehr an unsere Mythen von den Besten, den Klügsten und den Selfmademen, dass wir meinen, Überflieger würden einfach so aus
dem Boden wachsen. Wir sehen Bill Gates und staunen, wie es unsere Welt einem Dreizehnjährigen ermöglichen konnte, ein märchenhaft
erfolgreicher Unternehmer zu werden. Aber das ist genau die falsche Lehre. Unsere Welt gab einem Dreizehnjährigen im Jahr
1968 unbegrenzten Zugang zu einem Computer. Wenn |236| eine Million Teenager die gleiche Möglichkeit gehabt hätten, wie viele Microsofts gäbe es dann heute? Wenn wir eine bessere
und gerechtere Welt wollen, dann müssen wir dieses System der glücklichen Zufälle – das richtige Geburtsdatum oder eine zufällige
historische Konstellation – durch eine Gesellschaft ersetzen, die allen die gleichen Möglichkeiten eröffnet. Wenn es beispielsweise
in Kanada eine zweite Eishockeyliga für die in der zweiten Jahreshälfte geborenen Kinder gäbe, dann gäbe es heute doppelt
so viele Eishockeystars. Übertragen Sie nun diesen plötzlichen Talentschub auf sämtliche Gebiete und Berufe. Die Welt könnte
sehr viel reicher sein als die, mit der wir uns heute zufriedengeben. Marita braucht kein neues Schulgebäude mit einem mehrere
Hektar großen Sportgelände und funkelnagelneuen Anlagen. Sie braucht kein Laptop, keine kleineren Klassen, keine promovierten
Lehrer und keine größere Wohnung. Sie braucht auch nicht den Intelligenzquotienten eines Chris Langan. Das alles wäre natürlich
sehr schön, aber es geht am Wesentlichen vorbei. Marita braucht lediglich eine
Chance.
Und sehen wir uns diese Chance an! Jemand brachte ein Reisfeld in den Süden der Bronx und erklärte ihr das Wunder der sinnvollen
Arbeit.
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KIPP steht für »Knowledge Is Power Program« – das Programm »Wissen ist Macht«.
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|237| Epilog
Eine Geschichte aus Jamaika
»Kommt farbiger Nachwuchs zur Welt, wird dieser für frei erklärt.«
1.
Am 9. September 1931 brachte eine junge Frau namens Daisy Nation zwei Töchter zur Welt. Sie und ihr Mann Donald waren Lehrer
in einem kleinen Dorf namens Harewood in der Kirchengemeinde von Saint Catherine’s im Landesinneren von Jamaika. Als Donald
erfuhr, dass er der Vater von Zwillingen geworden war, sank er auf die Knie und legte das Leben der Mädchen in Gottes Hand.
Die Nations lebten in einer kleinen Hütte auf dem Gelände der anglikanischen Kirche von Harewood. Das Schulgebäude, ein langgestreckter
Schuppen mit nur einem Raum, befand sich gleich nebenan. An manchen Tagen saßen bis zu 300 Kinder im Schulraum, an anderen
weniger als zwei Dutzend. Die Kinder lasen laut vor oder sagten auswendig gelernte Multiplikationstabellen auf. Sie schrieben
auf Schiefertafeln. Wann immer möglich, fand der Unterricht draußen unter den Mangobäumen statt. Wenn die Kinder herumtollten,
lief Donald Nation durch die Reihen und schwang einen Lederriemen, während die Kinder zu ihren Plätzen zurückliefen.
Donald Nation war ein stattlicher Mann, still und würdevoll und ein ausgesprochener Bücherliebhaber. In seiner kleinen Bibliothek
standen Dichter und Philosophen neben Romanautoren wie Somerset Maugham. Jeden Tag studierte er die Zeitung, um sich über
das Weltgeschehen auf dem Laufenden zu halten. Abends besuchte |238| ihn sein Freund, der anglikanische Erzdiakon Hay, der auf der anderen Seite des Hügels lebte. Zusammen saßen sie auf Donalds
Veranda und sprachen über die Probleme Jamaikas. Donalds Frau Daisy kam aus der Gemeinde Saint Elizabeth. Sie war eine geborene
Ford, und ihr Vater hatte ein kleines Lebensmittelgeschäft besessen. Sie war eine von drei Schwestern und weit und breit für
ihre Schönheit berühmt.
Im Alter von elf Jahren erhielten die Zwillinge ein Stipendium für ein Internat namens Saint Hilda’s nahe der Nordküste der
Insel. Saint Hilda’s war eine konfessionsgebundene Privatschule, die für die Töchter von anglikanischen Priestern, Großgrundbesitzern
und Vorarbeitern eingerichtet worden war. Nach Abschluss ihrer Schulausbildung bewarben sich die Schwestern am University
College in London und erhielten dort einen Studienplatz. Kaum in London angekommen, wurde Joyce zur Feier des 21. Geburtstags
eines jungen englischen Mathematikers namens Graham eingeladen. Graham stellte sich vor seine Gäste, um ein Gedicht aufzusagen,
und vergaß vor Aufregung seinen Text; Joyce schämte sich
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