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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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wurden, nur selten Strafen erhielten, wie sie bei normalen Kapitalverbrechen üblich sind,
daß alte Nazis lange vor den Opfern des Nationalsozialismus ihre Wiedergutmachung bzw. Pensionen erhielten,
daß Wiedergutmachungszahlungen an die Opfer von Beamten mit brauner Vergangenheit festgesetzt wurden.
    Das sind nur einige Beispiele dafür, daß man in Bonn eine drastische Trennung von der Vergangenheit unterließ.
    Ich selbst hatte ab und zu Zusammenstöße mit Beamten, die ihre Nazivergangenheit nicht leugneten und selbstgerechter nicht hätten auftreten können. Ein Staatssekretär an der Seite von Bundeskanzler Erhard erklärte mir, daß man beim Aufbau des neuen Staates auf die alten Nazis hätte zurückgreifen müssen und damit nichts weiter getan hätte, als ihr Wissen auszubeuten, wie er es formulierte. „Ihnen verdanken wir unseren wirtschaftlichen Aufschwung und daß dadurch die Gefahr des Kommunismus im neuen Deutschland gebannt werden konnte.“ Süffisant lächelnd fügte er hinzu, daß ohne diesen wirtschaftlichen Aufschwung keine Wiedergutmachungszahlungen an die Opfer des Nationalsozialismus hätten gezahlt werden können. Nach solchen und ähnlichen Begebenheiten fragte ich mich manchmal, weshalb ich das alles ertrug. Es wäre ungerecht, würde ich in diesem Zusammenhang nicht darauf verweisen, daß ich in Bonn auch Freunde hatte, die unter den restaurativen Erscheinungen ebenso litten wie ich. Aber meist waren sie nach den Jahren der Hitler-Diktatur müde geworden, hatten politische Verfolgung hinter sich, hatten resigniert. Andere erkannten, daß alte Nazis auch Wähler waren, und ließen es an klaren Aussagen zur Vergangenheit fehlen. Daß ich in Bonn nicht beliebt war, ist sogar verständlich. Ich störte.
    Als in den sechziger Jahren der Aufruhr der Studenten einsetzte, war ich begeistert. Junge Deutsche, die gegen diese Zustände in ihrem Land revoltierten, schienen mir ein hoffnungsvolles Zeichen für eine demokratische Entwicklung ihres Staates. Dabei war es fast logisch, daß sie ihre Elterngeneration, die in der Nazizeit so kläglich versagt hatte, zu fragen begannen, wie es zu diesem verbrecherischen Regime hatte kommen können, und wie sie sich damals verhalten hatten. Nur selten bekamen sie eine befriedigende Antwort. Diesen Jungen kommt das Verdienst zu, als erste in diesem Land eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit angestoßen zu haben. Aber dann suchten sie, ihrer Bewegung eine ideologische Grundlage zu geben. Die Lehren von Mao Tse-tung, Che Guevara, Ho Chi-Minh und Karl Marx boten ihnen Ansätze dafür. Sie teilten die Welt ein in Gut und Böse, in Unterdrücker und Unterdrückte, in Imperialisten und Antiimperialisten. Und dabei kamen sie zu der Feststellung, daß Israel ein Ableger Amerikas sei, ergo ein Vorposten des Kapitalismus im Nahen Osten, dem keine Gnade gewährt werden dürfe. Israel müsse mit allen Mitteln bekämpft werden. Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. Israel, das vielen Verfolgten des Naziregimes zur einzigen Zufluchtsstätte, das Unzähligen zur Heimat geworden war, ein Staat, der damals noch sozialistischer war als alle jene Länder zusammen, die diesen jungen Leuten als Vorbilder dienten, sollte nun nichts weiter sein als ein Unterdrücker, Ausbeuter oder Rassist? Man brauchte wahrlich nicht Zionist zu sein, um sich nun mit Israel verbunden zu fühlen. Spruchbänder, die diese Jungen auf ihren Demonstrationen mit sich führten und auf denen sie den Zionismus mit dem Faschismus gleichsetzten, empörten mich.
    Als sie sogar zu Tätlichkeiten gegen den israelischen Botschafter übergingen, hatte ich genug. Die alten Nazis in Bonn und nun auch noch die jungen verantwortungslosen Linken machten mir die Entscheidung leicht. Ich beschloß, meine Brücken in Bonn abzubrechen und nach Israel auszuwandern – und ein drittes Leben zu beginnen.
    Durch die Arbeit für die israelische Zeitung hatte ich Kontakt zu Israel bekommen. Bei Reisen dorthin hatte ich den Sinn und die Notwendigkeit für die Existenz dieses Staates begriffen und hatte die Aufbauleistung vor Ort bewundert. Israel stellte sich mir als Land der Verfolgten dar, in dem auch für mich ein Platz sein müßte. Verfolgte, ganz gleich, woher sie kommen und welche ihre Muttersprache ist, verstehen einander, haben den gleichen starken Überlebenswillen, haben vergleichbare Reaktionen. Meiner Redaktion, die zunächst von meinen Plänen nicht sonderlich begeistert war – ich sprach kein Wort

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