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Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
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Hebräisch –, kündigte ich meine Ankunft für den 2. Februar 1972 an. Dennoch nahm man mich herzlich auf, half mir, die vielen bürokratischen Klippen einer Einwanderung zu überwinden, und fand einen Platz für mich in der Redaktion. Ich fühlte mich sehr schnell zugehörig. Ja, es mag Ihnen merkwürdig klingen, wenn ich sage, daß ich das erste Mal in meinem Leben in diesem von außen bedrohten Land ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit empfand. Lange Zeit schrieb ich meine Artikel noch in Englisch, während ich eifrig Hebräisch lernte. Mir bot sich eine Fülle von Aufgaben: Besuche von Staatsmännern aus aller Welt, Schicksale von Verfolgten aus vielen Nationen, die Entwicklung in Deutschland, um nur einiges zu nennen. Dabei lernte ich das Land und seine Menschen kennen. Und das faszinierte mich. Menschen aus 70 Nationen, die ihre Traditionen und Gewohnheiten in unser Leben einbrachten, sowie politische und kulturelle Eigenheiten, die zu verstehen mir manchmal nicht leicht fiel. Das traf besonders auf Religion und Religiosität zu. Und schließlich mußte ich lernen, mit heißem Krieg und kaltem Frieden zu leben.
    Es war der 6. Oktober 1972. Der schrille Ton einer Sirene weckte mich aus tiefem Schlaf. Ich glaubte mich in Berlin im Zweiten Weltkrieg. Die Nachbarin riß mich aus meiner Verwirrung. Die Ägypter hätten den Suezkanal überschritten. Es sei Krieg. Ihr Mann stand bereits in Uniform vor mir. Er ergriff sein Gewehr, küßte seine Frau zum Abschied, so als ob er auf irgendeine Reise ginge. In der Redaktion übernahmen wir Frauen Aufgaben von unseren Kollegen, die bereits an der Front waren. Redakteure, das Gewehr über der Schulter, kamen auf dem Weg zum Krieg noch kurz vorbei, um letzte Anweisungen zu geben. Natürlich wurden Fragen gestellt, wie Israel vom Krieg überrascht werden konnte. Doch das war zunächst nebensächlich. Es gab keinen Streit, keinen Aufschrei, keine Empörung, solange der Krieg dauerte. Man fügte sich in die Situation, die zunächst für Israel keineswegs rosig schien. Die Zeitung erschien oft mit weißen Flecken. Die Zensur hatte noch in letzter Minute Streichungen vorgenommen. Mütter saßen stundenlang neben dem Telefon und warteten auf ein Gespräch mit ihrem Sohn oder ihrem Mann irgendwo an der Front. Freiwillige, meist Frauen und alte Männer, halfen aus, um die Wirtschaft des Landes in Gang zu halten. Nach 19 Tagen stimmte Israel dem vom Sicherheitsrat der UNO ausgehandelten Waffenstillstand zu. Erleichterung war spürbar. Israel hatte 2700 Tote zu beklagen. Man ahnte, daß es nicht die letzten sein würden.
    Aber dann, im November 1977, als der ägyptische Präsident Sadat sich entschloß, nach Jerusalem zu kommen, schien der Frieden näher als jemals zuvor. Er käme, so sagte er, „mit der ehrlichen Absicht, neues Leben zu gestalten und Frieden herzustellen“. Noch heute sehne ich mich nach dem Bild zurück, als Anwar Sadat die Gangway seines Flugzeuges herunterschritt und mit ausgestreckten Händen auf die ihn erwartenden israelischen Staatsmänner zuging. Die Mehrheit der Israelis glaubte diesem Mann. Ja, es würde Frieden geben. Sie wiederholten es immer wieder, so als wollten sie es sich selbst suggerieren. Menschen tanzten in den Straßen von Jerusalem. Andere drückten ihre Nasen an den Glaswänden des Theaters von Jerusalem platt, um etwas zu sehen, etwas zu spüren von dieser revolutionären Entwicklung, die sich da drinnen abspielte. Ich probierte die provisorisch für diesen Tag gelegte Telefonleitung nach Kairo aus. Ich wollte der Ehefrau des ägyptischen Präsidenten ein paar Worte der Freude über diese Entwicklung entlocken. Es machte mir nichts aus, daß die Verbindung nicht zustande kam. Mir genügte das Gespräch der beiden Telefonistinnen, dessen Zeugin ich wurde. „Ist heute nicht ein herrlicher Tag? Wir haben Frieden!“, rief die eine aus Jerusalem ihrer Kollegin in Kairo zu. „Kein Krieg mehr, keine Toten, wie wunderbar!“, pflichtete ihr die Kollegin aus Kairo bei. Zu dem globalen Frieden, den Präsident Sadat damals anstrebte, kam es nicht. Zwar hörte das Morden zwischen Ägyptern und Israelis auf. Ein kalter Frieden blieb zurück. Anwar Sadat wurde 1981 von moslemischen Fundamentalisten ermordet.
    Im Juni 1973 wurde der erste Besuch eines deutschen Bundeskanzlers in Israel erwartet. Schon Tage zuvor herrschte eine gespannte Atmosphäre im Land. Der Anblick der deutschen neben den israelischen Fahnen, die in den Straßen von

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