Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
Grundlage zu geben, ein philosophisches Weltbild zu erarbeiten, in das sich ihre Ideen wie Steine eines Mosaiks hübsch zusammenfügten. Sie erhoben Ho Chi-Minh, Che Guevara, Mao Tse-tung zu ihren Idolen. Sie übersahen geflissentlich – oder wußten sie es tatsächlich nicht besser? –, daß zu jener Zeit die „Kulturrevolution“ in China wütete und Millionen von Opfern forderte. In „nichtsozialistischen“ Ländern, vornehmlich in der Dritten Welt, standen nach ihrem Verständnis vielfach glorreich kämpfende Oppositionelle den sie aussaugenden Großmächten gegenüber. Auch hierbei beachteten sie nicht, daß ihre Vorbilder nicht selten ähnliche „imperialistische“ Attitüden zeigten – Menschenrechte verletzten oder einen staatlich gelenkten Terror verfolgten – genauso wie die, die sie bekämpften. Ihre Kenntnisse bezogen sie völlig kritiklos aus ihnen ideologisch nahestehenden Publikationen. Es genügte offensichtlich, wenn die Inhalte ihrer Meinung nach logisch klangen.
Es kam zu Kundgebungen und Demonstrationen in den Universitätsstädten Deutschlands mit bösen Folgen auf der Seite der Protestierenden wie auch auf der der Gesetzeshüter, die vielfach durch eine Gummiknüppel-Politik der Situation Herr werden wollten. Eine nicht gerade faire Berichterstattung der Springer-Presse über diese in Deutschland ungewöhnliche Aufmüpfigkeit junger Menschen gegen die restaurativen Erscheinungen in ihrem Staat heizte die Situation noch an. Die „Law-and-order-Mentalität“, die in Deutschland immer vorgeherrscht hat, brachte die öffentliche Meinung in ihrer Mehrheit gegen die Studentenbewegung auf, die schließlich mehr Feinde hatte, als daß sie Freunde für ihre Sache gewinnen konnte.
Nach der Logik ihrer neuen Lehre war Israel ein Ableger Amerikas, ein Vorposten des Imperialismus im Nahen Osten, dem keine Gnade gewährt werden durfte. Israel hatte fremden Boden besetzt und unterdrückte die dort lebende Bevölkerung. Israelis waren darum „Feinde des Volkes“, welches – nach ihrer Interpretation – eigentlich die Palästinenser waren. Die jungen Linken erklärten diese zu Revolutionären, die ihrer Unterstützung gewiß sein durften, und waren gleichgültig gegenüber deren Drohungen, Israel den Todesstoß versetzen zu wollen. Israel erschien plötzlich nur noch als ein mit allen Mitteln zu bekämpfender Imperialist. Man ignorierte, daß dieses Land vielen Verfolgten des Naziregimes zur einzigen Zufluchtsstätte und damit zu einer Heimat geworden war, wie sie nie zuvor eine gekannt hatten, ein Staat, der damals noch sozialistischer war als alle jene Länder zusammen, die ihnen als Vorbilder dienten. Auf den Straßen deutscher Städte demonstrierten sie, Palästinensertücher um ihre Köpfe gewunden, ihre blinde Vorliebe für die arabische Welt und bewiesen in ihren Theorien ein Unwissen, eine Unkenntnis der Problematik des Nahen Ostens und eine Intoleranz, wie sie gedienten Sozialisten wohl nie in den Sinn gekommen wären. Allein die Tatsache, daß die Springer-Presse in Deutschland und der bei den Jungen unbeliebte Franz-Josef Strauß zu Israel hielten, kritiklos alles guthießen, was Israel tat, genügte ihnen als Beweis für die Richtigkeit ihrer Einschätzung des jüdischen Staates. Ohne die geringsten Bedenken nahmen sie die kleine Zahl arabischer Studenten an deutschen Universitäten in ihre Reihen auf, von denen sie ihre Argumente gegen Israel und den Zionismus bezogen. Es kam sogar zu häßlichen Zwischenfällen.
Ein Opfer war der erste israelische Botschafter in der Bundesrepublik, Asher Ben-Nathan. Er hatte mehrfach, von Studentenorganisationen dazu aufgefordert, an deutschen Universitäten Vorträge über Israel und den Nahen Osten gehalten und mit jungen Menschen darüber diskutiert. Im Juni 1969 wurde er das erste Mal während eines solchen Vortrages in Frankfurt von deutschen Studenten und Arabern niedergeschrien. In Nürnberg ging es ähnlich zu. An der Universität von Hamburg brach sogar eine Schlägerei zwischen linken Studenten und Palästinensern auf der einen Seite und jüdischen Studenten und israelischen Matrosen auf der anderen Seite aus. Zu dieser Zeit hatte das Bonner Auswärtige Amt bereits sein Mißfallen über diese Tätigkeit des Botschafters ausgedrückt, da man zu Recht um seine Sicherheit fürchten mußte. Aber Ben-Nathan schien eine Absage bereits vor Monaten festgesetzter Termine den Eindruck von Feigheit zu erwecken. Als er im Dezember 1969 das
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