Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
die deutsche Wiedervereinigung, verbunden mit dem Wiedererscheinen längst überwunden geglaubten Gedankengutes, wohl den bisher schwersten Rückschlag erlitten. Beide Seiten haben sich danach weniger zu sagen als vor Jahren, als man versuchte, über die unselige Vergangenheit hinwegzukommen.
Die deutsche Nachkriegsgeneration und Israel
Junge Deutsche, die sich zum Sozialismus bekannten, waren die ersten, die Anfang der sechziger Jahre Reisen nach Israel unternahmen. Dieses Land, in dem neue Werte geschaffen und neue Verhaltensweisen gefunden wurden, zog sie an. Jahrelang plädierten sie für die Herstellung diplomatischer Beziehungen, die die Bundesrepublik Deutschland dem 1948 gegründeten Staat Israel unter politischen Vorwänden bis 1965 vorenthielt. Aber dann wandten sich plötzlich viele von ihnen von Israel ab. Mit der gleichen Vehemenz, mit der sich diese jungen Deutschen für Israels Rechte eingesetzt hatten, bekämpften sie nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 das Land, beschimpften die Israelis als Besetzer und Imperialisten und setzten sie mit den Weißen Südafrikas auf die gleiche Stufe. Damit verhielten sich diese Westdeutschen nun ähnlich wie die ehemalige DDR, die gewissenlos Terroristen gegen Israel ausbilden half und mit Waffenlieferungen den Kampf gegen den jüdischen Staat anheizte.
Im Jahre 1960 war eine erste Jugendgruppe aus München nach Israel gereist, lange bevor Tourismus aus Deutschland üblich wurde. Die Vergangenheit, in der Deutsche und Juden auf so schreckliche Weise miteinander verstrickt waren, hatte beide Völker zunächst davon abgehalten, sich unbefangen zu begegnen. Als die Jugendlichen von ihrer Reise nach München zurückkehrten, empfing sie der Oberbürgermeister persönlich, um sie als Pioniere zu feiern. Von da an wuchs die Zahl der Jugendlichen stetig, die als Gruppe oder einzeln nach Israel reisten. Unter ihnen überwogen die sozialistisch orientierten und gewerkschaftlich organisierten, die sich nicht von der zurückhaltenden Politik der damaligen Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP, die für die Annäherung von Deutschen und Israelis nur wenig tat, abhalten ließen.
Meist kehrten die Jugendlichen begeistert aus Israel zurück, denn sie hatten ein Land vorgefunden, das nach sozialistischen Prinzipien lebt und in dem neue Lebens- und Gesellschaftsformen entwickelt wurden, die möglicherweise auch international als Vorbild dienen konnten. Dieser Eindruck stand stark im Gegensatz zu den festgefahrenen Spielregeln der deutschen Gesellschaft mit ihren starren religiösen und sozialen Traditionen, die neue Lebensformen in den ersten zwanzig Jahren ihrer Existenz zumeist verhinderten. Die Grundsätze des Sozialismus, der im Ostblock zur Unkenntlichkeit entstellt worden war, leiteten wie selbstverständlich die in der Verantwortung stehenden israelischen Politiker und gaben zu neuen Hoffnungen Anlaß. Willy Brandt verwies in einer Rede am 19. März 1961 in New York auf die Anziehungskraft Israels auf junge Deutsche, als er sagte, die Jungen seines Landes seien eigentlich im allgemeinen kritisch, aber auch nüchtern, illusionslos und leider weitgehend materialistisch eingestellt. Es sei deshalb besonders bemerkenswert, daß gerade diese Generation dem israelischen Staat „mit tiefem Respekt und Interesse“ gegenüberstehe. „Die Bewunderung für die Pionierarbeit, für die Entschlossenheit zur Selbstbehauptung, aber auch die Erkenntnis, daß Israel in der weltpolitischen Auseinandersetzung im gleichen Lager steht – wie wir –, alle diese Faktoren spielen bei der Sympathie für diesen jungen Staat mit“, so Brandt.
Zwischen 1959 und 1965 reisten mehr als 40.000 junge Deutsche nach Israel. Diese Besuche wurden aber trotz offizieller Ermutigung in Israel noch nicht als selbstverständlich akzeptiert. Nur wenige Kibbuzim nahmen damals beispielsweise junge Deutsche auf, obwohl gerade diese Einrichtungen die jungen Menschen, meist Linke, besonders anzogen. Kibbuzim, die von Überlebenden der Konzentrationslager gegründet worden waren, taten sich schwer, selbst eine nach dem Massenmord geborene Generation Deutscher zu empfangen, auch wenn sie sich als ideologisch Gleichgesinnte zu erkennen gaben. Vielfach war allein die deutsche Sprache ein Hinderungsgrund, die ehemalige polnische oder russische Juden nur zu sehr an ihre KZ-Bewacher erinnerte.
Die israelische Jugend interessierte sich im allgemeinen nicht sonderlich für Begegnungen mit Deutschen. Ihr fehlte
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