Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen

Titel: Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Deutschkron
Vom Netzwerk:
– eine Bitte, der nicht entsprochen werden konnte, da Israel keine Ausländer in den Reihen ihrer Streitmächte zuläßt. Deutsche Politiker aller Schattierungen folgten der Erklärung des Bonner Außenministers Willy Brandt, der sagte, das Prinzip der Nichteinmischung Deutschlands in einen Weltkonflikt und damit in den Krieg zwischen den Arabern und Israel bedeute keine „Neutralität des Herzens“. Als der Sieg der Israelis feststand, jubelten die Deutschen.
    Es gab aber bald Anzeichen dafür, daß diese allgemeine pro-israelische Stimmung des Juni 1967 nicht in derart enthusiastischer Form anhalten würde. Der erste Wandel betraf die Haltung der Deutschen gegenüber Jordanien, das am schwersten von diesem Krieg betroffen war. Die Not der aus dem Westjordanland geflohenen Jordanier erweckte Mitleid. Berichte und Filme über die schreckliche Lage in den Schlammhütten der Flüchtlingslager erinnerte viele Deutsche an das harte Los ihres eigenen Flüchtlingsdaseins nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Jungen nannten die Israelis „Besatzer“ und die in den von Israel besetzten Gebiet lebende Bevölkerung „Unterdrückte“.
    Der sogenannte „Anti-Zionismus“ wurde nun fester Bestandteil des Gedankengutes der revolutionären Jugendbewegungen jener Tage. Schließlich kam es zu einer Annäherung zwischen den deutschen Linken und den arabischen Terrororganisationen, die ihre Angriffe auf Israel immer mehr verstärkten.
    1968 war der Funke, von Amerika ausgehend, auch auf Frankreich und Deutschland übergesprungen, der junge Menschen zum Kampf gegen die bestehende Gesellschaftsordnung aufbrechen ließ. In den USA wandte sich diese Bewegung vor allem gegen den Vietnamkrieg, die Rassendiskriminierung und die kapitalistische Gesellschaftsordnung. Deutsche Studenten fügten deutsche Aspekte zu diesen Forderungen hinzu, die zweifellos auch in Deutschland Ausgangspunkt der Kritik waren. Amerika hatte jungen Deutschen in den fünfziger Jahren zunächst eine antifaschistische Erziehung angedeihen lassen und büßte nun durch diesen Krieg sein Image als fortschrittlicher Staat ein. Die Bundesrepublik konnte dieses Vakuum nicht füllen, weil der nahtlose Übergang vom Nazistaat zur von außen verordneten und befolgten Demokratie eine Restauration nicht verhindert hatte. Den Jungen begegnete diese besonders in den jahrhundertelangen nach feudalistischen Grundsätzen verwalteten Universitäten, wo es weder Gleichberechtigung noch modernes akademisches Lernen und Leben gab. Diejenigen, die von dieser antiquierten Ordnung profitierten, hatten Versprechungen auf Änderungen nie eingehalten. Die Bewegung der Jugendlichen wandte sich zunächst diesen Mißständen zu und entwickelte damit zugleich einen Protest gegen die Elterngeneration, die ihrer Meinung nach in der Nazizeit so kläglich versagt hatte. Auf Fragen, wie es zu jenem Verbrecherstaat gekommen war und wie sie, ihre Eltern, sich verhalten hatten, bekamen sie nur selten eine plausible Antwort. Es ging meist nicht über ausweichende Phrasen wie „Das verstehst du nicht“ oder „Ich wußte nichts von alledem“ hinaus. In manchen Familien müssen sich Tragödien abgespielt haben, denn die Kinder waren nach den Auseinandersetzungen oft nicht mehr bereit, die Autorität ihrer Eltern anzuerkennen. Die Kluft zwischen den Generationen ist wohl kaum jemals größer gewesen als damals. Unter jungen Deutschen, die sich Linke nannten, begann eine erste ernsthafte theoretische Auseinandersetzung mit der Nazizeit. Ihnen schien die pro-israelische Haltung ihrer Eltern nichts anderes als das Eingestehen einer Schuld den Juden gegenüber zu sein. Tatsächlich wandelten sich viele Deutsche, die mit ihrem Gewissen Juden gegenüber nicht zurechtkamen, zu Philosemiten, die alles guthießen, was Israel und Juden taten. Das schloß Israels Handlungen den Arabern gegenüber ein, auch wenn diese teilweise zumindestens Kritik an der Rechtmäßigkeit verdient hätten. Viele meinten, daß sie nun die Pflicht hätten, gegenüber Juden und Israel unbefangen aufzutreten, weil sie die Vergangenheit nichts anging. Sie erklärten jene, die Israels Sieg im Sechs-Tage-Krieg bejubelten, den Kräften vergleichbar, die den „Blitzkrieg“ der Deutschen gegen Polen 1939 verherrlicht hatten.
    Gleichzeitig begannen die Jungen, die Welt in Gut und Böse, in Unterdrücker und Unterdrückte, in Imperialisten und Antiimperialisten einzuteilen. Diese Simplifizierung war der Versuch, ihrer Bewegung eine ideologische

Weitere Kostenlose Bücher