Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
Verständnis für sie. Ein israelischer Jugendlicher ist stolz auf sein Land. Es bedeutet ihm alles, und er ist bereit, sein Leben dafür einzusetzen. Deutsche Jugendliche hingegen zeigten keinen Nationalstolz. Oft gaben sie sogar zu verstehen, daß sie sich im Israel mit seinen sozialistischen Tendenzen und Praktiken mehr zu Hause fühlten als in der konservativen Bundesrepublik. Junge Israelis konnten nicht begreifen, warum junge Deutsche nicht alles daransetzten, die Mißstände in ihrem Lande zu beseitigen, damit sie ebenfalls stolz darauf sein könnten. Diese Motive verhinderten vielfach eine gemeinsame Sprache. So war es auch nicht verwunderlich, daß es nur selten zu den von den Deutschen ersehnten Gegenbesuchen israelischer Jugendlicher in der Bundesrepublik kam. Es fiel natürlich auch leichter, deutsche Jugendliche in begrenzter Zahl in Israel zu empfangen, als die eigenen Kinder in ein Land zu schicken, in dem die Angehörigen ermordet und einige ihrer Mörder zwanzig Jahre nach den Verbrechen noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden waren. Trotzdem ließen deutsche linke Jugendliche zunächst nicht ab in ihren Bemühungen, den Kontakt mit Israel zu vertiefen.
Die Anfänge der Beziehungen zwischen den Studentenbewegungen beider Länder spiegeln diese Schwierigkeiten deutlich wieder. Inoffizielle Begegnungen zwischen deutschen und israelischen Studenten hatte es schon Mitte der fünfziger Jahre gegeben. Ihnen folgte die Gründung der Deutsch-Israelischen Studentengruppe (DIS) im Jahre 1957 an der Westberliner Universität. Die DIS erwies sich als eine kleine, aber sehr aktive Gruppe, meist junger Sozialisten, die an deutschen Universitäten um Verständnis für Israel warb. Und das war bitter nötig, denn die Mehrheit der deutschen Studenten kümmerte sich zu jener Zeit nicht viel um Politik und schon gar nicht um den Nahost-Konflikt. Sie waren auf ihre Studien und ihre Karriere fixiert, eine Tatsache, die in Deutschland verständlicherweise allgemein beklagt wurde, denn von den Studenten erhoffte man das Heranwachsen der späteren politischen Elite. Israelische Studenten engagierten sich in viel stärkerem Maße politisch oder interessierten sich zumindest mehr für die Politik ihres Landes als ihre deutschen Kollegen. Das brachte natürlich auch die Situation Israels im Kampf gegen seine Feinde ringsum so mit sich. Israelische Studenten übersahen auch nicht, daß die wenigen, die damals in deutschen Studentenverbänden organisiert waren, die Ziele der arabischen Studenten unterstützten, vor allem der Generalunion palästinensischer Studenten (GUPS), die mit der PLO liiert war. Der Verband deutscher Studentenschaften (VDS) hatte einige Zeit zu diesem Zweck sogar einen Kontaktmann in Kairo stationiert. Die Nationale Union israelischer Studenten (NUIS) lehnte im Februar 1963 auf ihrem Nationalkongreß zwar Kontakte zu „antifaschistischen proisraelischen Studentenorganisationen“ in der Bundesrepublik nicht ausdrücklich ab, tat jedoch nichts, um sie zu fördern. Ein Jahr später drohte sie jedem Funktionär mit dem Entzug seines Mandats, falls er Kontakte zu einem deutschen Studentenvertreter aufnähme. Das schloß selbst die sich so eindeutig zu Israel bekennende DIS ein. Dabei spielte natürlich auch die unbefriedigende Entwicklung der allgemeinen deutsch-israelischen Beziehungen eine Rolle. Die israelische Studentenvereinigung revidierte ihre Haltung gegenüber ihren deutschen Kollegen erst nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel im Jahre 1965. Aber nun war es fast zu spät. Nur wenige Jahre danach reihten sich viele deutsche Studenten in die Masse derer ein, die Israel zum Feind erklärten. Selbst jene, die einst in der DIS aktiv für Israel eintraten, leugneten nun jeden Kontakt zu diesem Land und seinen Menschen. Die Fronten hatten sich verkehrt.
Als aber im Mai 1967 die arabischen Staaten deutlich machten, daß sie Israel vernichten wollten, kamen doch wieder aus allen Schichten der deutschen Bevölkerung Hilfsangebote, insbesondere von jungen Menschen, die der Linken angehörten. Als der Krieg am 5. Juni 1967 begann, benahmen sich viele Deutsche, als sei es „ihr“ Krieg. In den ersten zwei Tagen registrierte die israelische Botschaft in Bonn 600 telefonische Anfragen, wie man Israel am besten helfen könne. Hunderte von Briefen, in denen Unterstützung zugesagt wurde, trafen ein. 1600 junge Deutsche baten um Aufnahme in die israelische Armee
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