Ueberleben als Verpflichtung - den Nazi-Moerdern entkommen
Auditorium Maximum der Universität München betrat, konnte er nicht übersehen, was über der Rednertribüne angeschrieben war. „In Israel wird erst Frieden herrschen, wenn noch weitere 50 Bomben in Supermärkten Israels hochgegangen sind.“ Bevor Asher Ben-Nathan seinen Vortrag beginnen konnte, polemisierte man gegen ihn. „Es ist eine Provokation, wenn dieser Botschafter vor uns spricht. Man kann das nur damit vergleichen, daß Adolf Hitler vom Himmel zu uns heruntergekommen ist, um mit uns über Konzentrationslager zu diskutieren.“ Diese Bemerkungen wurden mit donnerndem Applaus im vollbesetzten Saal aufgenommen. So wie an den übrigen Universitäten konnte sich Ben-Nathan auch mit einem Mikrophon kein Gehör verschaffen. Seine Worte gingen in dem Gebrüll der Studenten unter. Im Oktober 1968 war Ben-Nathan auf dem Weg zur Frankfurter Paulskirche, um an der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an den senegalesischen Präsidenten Leopold Senghor teilzunehmen, als er in der Menge steckenblieb. Junge Demonstranten, die eigentlich gegen Senghors Anwesenheit protestierten, weil er ihren Informationen nach Studenten in seinem Land aus politischen Gründen in Haft hielt, drohten den Wagen des Botschafters umzustürzen. Man versuchte die israelische Fahne vom Auto zu reißen. Ben-Nathan rettete sich durch einen Sprung über eine Barriere und rief den Demonstranten zu: „Ihr benehmt euch wie die Nazis.“ Als er kurz darauf von jüdischen Studenten zu einem Vortrag an der Frankfurter Universität eingeladen wurde, gab es Proteste, weil er es gewagt hatte, deutsche Studenten mit Nazis zu vergleichen. Jüdische Studenten, Mitglieder der jüdischen Gemeinde und Israelis – Polizei war auf dem Kampus nicht zugelassen – verhinderten mit ihren Körpern und ihren Fäusten, daß die Demonstranten die Bühne stürmten. Dem vor seiner Rückkehr nach Israel stehenden Botschafter wurde von diesen Linken der Name „Ben-Napalm“ angehängt, als Hinweis auf seinen Staat, der angeblich im Abwehrkampf gegen arabische Terroristen Napalm verwendete.
In Israel wurde über die Gründe diskutiert, die junge Deutsche so vehement gegen den jüdischen Staat antreten ließen. Auch wenn ihre Zahl klein war – sie wird auf wenige Tausend unter den 300.000 eingeschriebenen Studenten in Deutschland in jenen Jahren geschätzt –, sie verkündeten ihre Forderungen so lautstark, daß sie ihre Wirkung nicht verfehlten. Von den arabischen Terroristen übernahmen sie z. B. die Forderung, Israel müsse von der Landkarte verschwinden. Auf Spruchbändern, die die verschiedenen Gruppen unterschiedlicher Radikalität bei ihren Demonstrationen mit sich führten, stand u. a. zu lesen: „Zionismus gleich Faschismus“, „Zionisten raus aus Palästina“ oder „Sieg der palästinensischen Revolution“. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), dem im Kampf der Studenten eine führende Rolle zukam, benutzte Argumente, die den Eindruck erwecken konnten, es handle sich um einen neu aufkeimenden Antisemitismus unter der jungen deutschen Generation. So sprachen einige von ihnen z. B. vom „Internationalen Finanzjudentum“ – eine Vokabel, die auch im nazistischen Sprachgebrauch üblich war. Es ist anzunehmen, daß es nicht die Absicht der Studenten war, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren. Viel eher wollten sie den Staaten der Dritten Welt ihre Anlehnung an den Marxismus beweisen, in dem sie wie dieser den internationalen Kapitalismus als den Feind der arbeitenden Massen anprangerten. Ihr Kampf galt dem Staat Israel und war wohl im wesentlichen frei von antisemitischen Tendenzen. Und doch waren diese Argumente gefährlich, denn sie schufen eine Nähe zu den Rechtsradikalen, die sie mit Begeisterung aufnahmen. Es ist inzwischen erwiesen, daß einige der Gruppen, die zu den „68ern“ gehörten, mit diesen Feindseligkeiten gegenüber Israel nicht einverstanden waren. Doch weder taten sie, noch sagten sie etwas, um sich davon zu distanzieren.
Sehr ähnlich verhielten sich junge Deutsche – sogenannte Linke führend unter ihnen – während des Golfkrieges im Januar 1991. Als im Januar 1991 28 der UN angehörende Staaten den Irak mit militärischen Mitteln angriffen, um ihn zum Rückzug aus dem annektierten Kuwait zu zwingen, reagierte Saddam Hussein mit Vergeltungsschlägen gegen Israel. Seine Raketen, die ihm unter anderem deutsche Techniker entwickelt hatten, richteten in Tel Aviv und Umgebung viel Schaden
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