Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

knirschenden, wutverzerrten Kieferknochen. Ihm wurde versprochen, dass seine Tochter verschont bleibe, und dann landet sie in einer Live-Inszenierung der härtesten TV-Serie aller Zeiten.
    »Wir wussten nicht …«, stammelt Frank.
    Auf der Schlachtbank murmelt Ulrich in seinen Knebel: »Mimb mich los!«
    »Kommt«, sagt Frederik und rennt los. Frank folgt ihm. Simon auch. Er lässt Ulrich liegen. Alice sprengt die Party und bittet alle Gäste, die noch laufen können, die Feldfahndung nach einem entflohenen Käfer zu unterstützen.
    Merke ➙ Wer Halloween zu ernst nimmt, muss mit den Konsequenzen rechnen.
    Um 5:55 Uhr fallen Frank und Alice in ihr Bett, in voller Kleidung und Schuhen, Dreck von Feldern und Wäldern in den Sohlen und Insektenleichen in den Knitterfalten.
    Unfähig, sich weiter zu bewegen.
    Unfähig, an Vampirsex auch nur zu denken.
    Nach stundenlanger Suche fand die Notsuchstaffel aus fünfundzwanzig Erwachsenen den kleinen Käfer Annabelle in einem Waldloch hinter einer von Borkenkäfern angefressenen Wurzel. Sie dachte, vollkommen folgerichtig, dass es wohl besser sei, fortan unter Artgenossen zu leben, wenn alle Erwachsenen, denen sie vertraut, sie direkt zu einem Psychokiller führen. Frederik lockte sie nach langer Unterredung heraus, trug sie zum Wagen und gab die Adresse einer psychiatrischen Klinik in das Navi ein, sein wütendes Tippen mit den Worten »Alles, was jetzt folgt, zahlt ihr!« kommentierend, während das fahlweiße Licht des kleinen Monitors über sein Gesicht flackerte.
    »Sie kommt darüber …«, setzt Frank an, aber Alice hebt nur die Hand, platt auf dem Bett liegend, die Füße in den Ackerschuhen über dem Rand. Frank kommt nicht dazu, das »hinweg« noch auszusprechen.
    »Simon kommt nie mehr hierher«, sagt sie.
    Frank schluckt.
    Dann sagt er: »Okay.«
    Er holt Luft, um Ausnahmeregelungen zu verhandeln, da er nicht zu den Männern gehören will, die nach der Installation einer Garagenautomatik im zweiten Schritt ihren besten Kumpel an die Befehle der Frau verlieren, doch da ist Alice auch schon eingeschlafen. Kein Hauch von Bella mehr in der Luft.
    Frank seufzt und verliert ebenfalls das Bewusstsein, zu müde, um noch irgendwas zu reißen.
    In der Garage, die sich längst von selbst geschlossen hat, erstirbt endgültig das bettelnde Wimmern von Ulrich aus der Verwaltung.
    •Die Halloween-Party
    Alkoholpegel: ★ ★ ★
    Drama: ★ ★ ★ ★ ★
    Erotik: ★ ★
    Spaß: ★ ★ ★
    Was man erwartet
    Sex. Nach der Verwandlung des Schlafzimmers in einen schallisolierten Twilight -Raum verwandelt man sich schließlich selber spät in der Nacht in Edward und Bella und genießt den Rollenspielsex mit glasigem Blick und »Wir dürfen es nicht«-Bettgeflüster.
    Was tatsächlich passiert
    Durch die fatal perfekte Inszenierung eines Ritualmords in der Garage wird die sensible kleine Nichte in die Flucht geschlagen und muss von sämtlichen Partygästen die ganze Nacht in Feld, Wald und Flur gesucht werden, sodass danach an Sex nicht mehr zu denken ist.
    Was man tun sollte
    Sämtliche Inszenierungen vor der Haustür gemeinsam planen und vorher klar bestimmen, wer als Regisseur und Produzent der Show das Sagen hat.
    Typischer Song
    »Temple Of Love« von Sisters Of Mercy
    Typisches Getränk
    Glubschaugenbowle

Der Karneval
    Der Karneval ist das Fest des Lebens und der Anarchie auf offener Straße. Eine Verwandlung der Stadt in das größte Open-World-Game des Jahres. Ein Frustbekämpfer. Ungünstig ist nur, wenn frau ein wenig zu sehr in Rage gerät …
    »So, jetzt kommt da mal Licht dran!«, sagt Wiebke und zieht das Rollo von Petras Zimmer hoch, das schon seit Wochen nicht bedient wurde. Petra hält sich den Arm vors Gesicht. Womöglich zerfällt sie jetzt zu Staub, denkt sich Wiebke. Aber Petra bleibt ganz. Ihre Sitzkuhle auf der Couch ist mit Bettzeug und Decken ausgepolstert, die vom Schweiß schon ganz gelblich geworden sind. Gegenüber flimmert der Fernseher. Grand Theft Auto IV , ein Videospiel, in dem Petra stundenlang durch eine riesige Stadt fahren kann, ohne irgendetwas tun zu müssen. Wiebke kennt sich damit kaum aus, aber sie denkt: Spiele, in denen man nicht mal mehr etwas erreichen muss, wenn man nicht will, sind schädlich für deprimierte Freundinnen. Neben der Hülle des Videospiels liegen Bücher von heiteren Männern wie Arthur Schopenhauer, Sigmund Freud oder diesem noch lebendigen Philosophen Peter Sloterdijk, der von sich selbst sagt, er sei ein