Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
also Johnny Depp einfach so an den Arsch packen?«
Wiebke lacht: »Ja.«
Petra schaut sich um, geht rüber und greift dem Mann so kraftvoll in die Pobacke, als hätten sie in einem anderen Universum längst mit dem Sex angefangen und die beiden möglichen Welten hätten sich wie nach einem sekundenschnellen Filmschnitt überlagert. Der Pirat schnellt herum … und lächelt. Petra eilt zu Wiebke zurück.
»Regel Nummer drei des neuen Kölschen Grundgesetzes«, grinst Wiebke, »geile Männerärsche dürfen von Frauen grundsätzlich einmal angefasst werden. An Rosenmontag sogar öfter.«
Die Frauen ziehen weiter. Jack Sparrow winkt ihnen hinterher.
»Ob der schwul war?«, fragt Petra.
Wiebke wippt mit dem Kopf.
»Mann, jetzt ist in meiner Muschi Karneval«, sagt Petra.
Mit lautem Geprassel geht ein Bonbonregen über ihnen nieder und prallt von Fenstern, Mauern und als Auffangvorrichtung umgedreht aufgespannten Regenschirmen ab.
Wiebke sagt: »Der Rosenmontag ist auch zum Naschen da.« Sie meint nicht die Kamellen.
Petras Gesicht verfinstert sich wieder: »Für wen hältst du mich? Ich bin noch nicht so weit.«
Wiebke sagt: »Regel Nummer vier des neuen Kölschen Grundgesetzes: Die Muschi muss nicht verliebt sein.«
Petra schüttelt den Kopf. Sie weiß nicht, ob sie beleidigt sein soll.
Eine Blaskapelle voller Clowns in weiten, roten Anzügen zieht vorbei, knallorange Afroperücken auf den Köpfen und einen echten Groove in den Trommeln und Trompeten, als wäre das nicht der Rosenmontagszug, sondern der Mardi Gras in New Orleans. Weiße Pferde ziehen den blauen Wagen der Kölner Funken Artillerie. Was für teutonische Namen, denkt Petra, Kölner Funken Artillerie , die würden sich glatt freuen, wenn morgen der Holländer auf der anderen Rheinseite steht und sie Kanonen stopfen dürften. Sie atmet auf. Die schlechte Laune ist nicht verschwunden. Das ist gut so.
»So, jetzt pass auf!«, sagt Wiebke, »ich zeig dir was!«
Sie macht die Augen zu, geht zwischen der Menge am Straßenrand und den Kneipen an der Hausseite entlang, streckt ihre Hände in beide Richtungen aus und hat zehn Sekunden später in beiden ein Kölsch. Links ein Glas, rechts eine Flasche.
»Ist das herrlich?«, fragt sie und gibt Petra die Flasche. »Ich nenne das den Kölschen Refill! Regel Nummer fünf des neuen Kölschen Grundgesetzes: Jedem Kölner muss in einem Radius von maximal zehn Quadratmetern augenblicklich ein frisches Kölsch zur Verfügung stehen. Am Rosenmontag ist diese Distanz auf Armlänge zu verkürzen.«
Petra schnauft. Sie muss an Thomas denken. Alles albern hier. Mit einem Zug leert sie die schmale Flasche und stellt sie ab. Die Freundinnen gehen ein Stück. Marschkapellen spielen Rumtata-Rhythmen. Auf der Straße zieht eine Gruppe Funkenmariechen vorbei. Kleine Mädchen in kurzen Röcken, die von Männern haushoch in die Luft gewirbelt werden. Wenn sie sich überschlagen, sieht man ihre Unterwäsche.
»Die Regel mit dem Refill stimmt. Probier auch mal«, sagt Wiebke.
»Ich will nach Hause«, sagt Petra.
»Jetzt probier schon!«
Petra seufzt, schließt die Augen, streckt die Hände aus und spürt zwei Sekunden später kühles Glas darin. Wer es reingesteckt hat, ist nicht zu ermitteln. Für eine Sekunde schleicht sich wieder Freude an. Die alte Sau.
»Geil, oder?«, fragt Wiebke, und die Freundinnen kippen das nächste Kölsch.
Merke ➙ Pils verursacht auf Dauer Nierensteine. Altbier führt dazu, dass man Textzeilen schreibt wie: »Zwanzig gegen einen, bis das Blut zum Vorschein kommt/ ob mit Stöcken oder Steinen, irgendwann platzt jeder Kopf.« Nur Kölsch ist die alte Sau Freude in flüssig.
Ein Politikwagen fährt vorüber. Petra hat das fünfte Kölsch im Kopf. Sie tut das nur Wiebke zum Gefallen. Der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg ist als riesige Figur auf dem Wagen modelliert, ein Zombie, der das kleine Deutschland jagt, das als Zwerg mit schwarz-rot-goldener Mütze vor ihm flüchtet. An der Flanke des Wagens steht: »Der kommt wieder!«
Ganz schön platt, denkt Petra, die den unfrisierbaren Oger liest und die Vorlesungen von Freud. Aber was hat’s ihr gebracht?
»Regel Nummer sechs des neuen Kölschen Grundgesetzes!«, brüllt Wiebke durch den Lärm einer trötenden Tuba. »Man darf ruhig direkt sein!«
Petra seufzt, schließt die Augen und streckt die Arme aus für neues Kölsch. In einer Seitengasse schieben drei junge Männer einen Einkaufswagen mit zwei Bierkästen darin vor
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