Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)

Titel: Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
Vom Netzwerk:
sie sich ihn nicht als Robert Pattinson vorstellen. Den ganzen Abend schon übt er sich in diesem glasigen Blick.
    »Die reißen da drüben unser Wohnzimmer ab«, sagt Frank.
    »Dann kriegen wir vielleicht bald neues Laminat«, antwortet Alice. »Soll Simon ruhig die Sau rauslassen.«
    »Simon ist gar nicht dabei«, sagt Frank. »Wo ist der überhaupt? Ich hab ihn schon seit einer Stunde oder so nicht gesehen.«
    Alice zuckt mit den Schultern.
    Vor dem Fenster nähern sich Schritte. Sie springen auf.
    »Annabelle!«, ruft Alice glücklich, viel zu unpassend für das Zimmer der tranigen Melancholie, ihr »Annabelle!« klang eher wie die freudige Begrüßung in einer alten Zeichentrickversion von Heidi .
    Frank und Alice öffnen die Haustür, in der Hand das Spezialsüßigkeitenpaket für die kleine Nichte. Die zittert fast vor Aufregung und ist als Käfer verkleidet, mit Fühlern auf dem Kopf, einem braunen Punkt auf der Nase und einem puscheligen Chitinpanzer mit Beinchen. Simon ist nirgends zu sehen. Alice ist glücklich, dass er sich an die Vereinbarung hält. Keine Abgeknipsten Finger © in der Nähe der Nichte. Frederik begrüßt Frank und Alice wortlos, indem er kurz die buschigen Brauen hochzieht, und überlässt seiner kleinen Tochter dann die Bühne.
    Die sagt auf, langsam und schwer überlegend, die Äuglein nach links oben verdreht:
    »Heute Nacht ist Halloween,
    Monster durch die Straßen ziehn.
    Tu was Süßes hier hinein,
    hörn sie endlich auf zu schrein!«
    Dann pustet sie aus, erleichtert, ihr Gedicht unfallfrei hinbekommen zu haben.
    Sie ist wirklich eine zarte Seele.
    Alice hockt sich vor sie, reicht ihr den Beutel mit Schokolade und Fledermäusen von Haribo und sagt: »Das hast du toll gemacht, Süße!«
    »Danke, Tante Alice.«
    Ein Lichtschein flutet langsam von rechts über das Pflaster vor der Garage und wandert auf sie zu. Das Garagentor öffnet sich. Alice schaut zu Frank in der Tür, doch der hebt nur die Hände, denn er hat die Fernbedienung nicht in der Hand.
    Annabelle schaut wie die Erwachsenen hypnotisiert zu, als das Tor sich immer weiter öffnet und nach und nach eine umgebaute Garage offenbart. Sämtliche Regale oder abgestellte Fahrräder sind mit Plastikplanen abgehängt. Die Werkbank ist von der Wand in die Mitte des Raumes geschoben. Auf ihr liegt, mit dem Kopf zur Straße, festgebunden und umwickelt mit Frischhaltefolie, Ulrich aus der Verwaltung. Sein Arm hängt über den Rand des Operationstisches. Neben dem Tisch steht – mit dem Rücken zur Straße – Simon in seiner Gärtnerschürze. Zusätzlich sind auf seinem Schädelrücken die Gurte einer Atemschutzmaske und das Flexband einer Schutzbrille aus Plastik zu sehen. In einem kleinen CD-Player läuft laut die Titelmusik der Fernsehserie Dexter . Da dümm da dümm, di dümm … Simon nimmt die Hand und spreizt einen von Ulrichs Fingern ab. Ulrich schreit, würgend und leise, denn er ist geknebelt. Simon legt den Finger in die Rosenschere, verdeckt das Geschehen kurzzeitig mit seinem Körper und lässt die Schere quietschen. Ulrich brüllt im Knebel wie am Spieß. Simon hält den Abgeknipsten Finger © in seinem abgespreizten Arm und dreht sich erst jetzt zu seinem Publikum, die ganze Zeit nicht ahnend, dass es die sensible Annabelle ist.
    Die Farbe verschwindet aus dem Gesicht des kleinen Käfers Annabelle, als würde sie auslaufen. Von oben nach unten wird das Mädchen kreidebleich. Dann fängt es an zu schreien. Lauter als der geknebelte Ulrich. Lauter als Depeche Mode im Wohnzimmer. Lauter als die Bauern, die vor 750 Jahren an dieser Stelle Teufelsaustreibungen praktiziert haben mögen. Sie streckt die Arme von sich und rennt los, in einem irren Tempo, trotz des umständlichen Käferkostüms. Alice kann sie nicht halten, ihrem Vater weicht sie geschickt aus, und ehe die Erwachsenen weiter reagieren können, sehen sie nur noch den Rücken eines aufrecht gehenden, flauschigen Käfers, der schnurstracks an der Gartenhecke vorbei im Feld verschwindet, das sich hinter dem Haus kilometerweit in die Landschaft erstreckt. Nach dem Feld folgt der Wald.
    Frederik wird zornesrot, macht ein paar schnaufende Schritte auf Simon zu, der Schere und Finger hochreißt, bleibt dann aber stehen, da er Wichtigeres zu tun hat, als den Übeltäter zu verprügeln. Die wahren Schuldigen sind ja sowieso Frank und Alice, weil sie diese Show zugelassen haben.
    »Von wegen ›kein schlimmer Grusel für Annabelle‹«, presst Frederik aus

Weitere Kostenlose Bücher