Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
durchstreift er den Umkreis. Auf den Papptellern der Kids, die plaudern und picknicken, liegt ebenfalls nur Grillgut wie gemalt.
»Dir brennt nichts an?«, fragt er Steffen.
Steffen schüttelt sachte den Kopf. Die kurzen Löckchen wackeln dabei auf und ab wie Acht-Minuten-Spiralnudeln.
»Ist nicht schwer«, sagt der junge Mann, und Frank denkt an all das Fleisch, das ihm in seinem Leben verbrannt ist. Irgendwas verbrennt doch immer!
Franks Blick wandert zu einem Pärchen, das auf einer Decke liegt. Sie lassen ihre verschränkten Finger miteinander turteln. Durch seine knollige Nase und die hohe Brillenglasstärke spielt der Junge locker eine Liga unter dem Mädchen, das so aussieht, als hätte man Lena Meyer-Landrut ihre schlecht getarnte Verbissenheit entzogen und den süßen, hibbeligen, unterarmtätowierten Körper mit ganzheitlicher Gelassenheit erfüllt.
»Das sind Eike und Fiona«, sagt Steffen und sieht kurz vom Grill auf. Hat Frank da eben in Steffens Blick Begehren gesehen? Der hochgewachsene Grillmeister mit den Kurzlöckchen und dem brillenlosen Meerblau in den Augen spielt definitiv eher in Fionas Liga. So wie Frank solche See- und Uferpartys kennt, spannt er Eike, der viel zu zurückhaltend ist, spät am Abend seine Fiona aus, entführt sie in eine lauschige Nische zwischen den Bäumen und nimmt sie am Stamm einer Kiefer, die duftende Rinde in ihrem Rücken zerreibend, während sie zwar ein schlechtes Gewissen hat, die Lust aber trotzdem in unvorstellbaren Wogen aus ihren halb geöffneten Lippen schießt, da ihr liebevoller, aber wenig viriler Eike ihr solch kolossale Körperlichkeit nicht bieten kann. Womöglich versteckt sich hier doch noch eine gute Story.
Merke ➙ Chiller & Griller sind wie Schwäne und Tauben. Wenn sie zusammen mit einer Decke kommen, werden sie auch zusammen auf einer Decke kommen.
Steffen grillt und flirtet einfach weiter mit Fiona, obwohl Frank gesehen hat, dass er auf sie steht, er täuscht sich bei so was nicht. Aber Steffen trinkt sich ja auch keinen Mut an, niemand hier trinkt so viel, dass er einen Rausch bekäme. Die Kids stoßen so leise mit ihren Bierflaschen an, dass das Pling sich nahtlos in das Zwitschern der Amseln und Spatzen einfügt. Die Mädchen streichen sich lächelnd dunkelblonde Strähnchen hinter die kleinen Ohren, und die Männer teilen sich zu zehnt einen winzigen Joint.
Es passiert: nichts.
Steffen zieht eine Flasche aus dem Kasten und reicht sie Frank. Nicht mal billiges Bier aus großen Gebinden trinken sie, denkt der Redakteur und erinnert sich an die Zehn-Liter-Fässer oder Paderborner-Pullen seiner Jugend. Beim Chillen & Grillen gönnt man sich Rothaus Tannenzäpfle. Er stößt mit Steffen an und zeigt, die Flasche in der Hand, auf die Decke von Eike und Fiona.
»Wie lang sind die beiden zusammen?«
»Schon immer.«
»Schon immer?«
Steffen nickt. »Seit der siebten Klasse.«
»Ja, und dann? Bleiben die auf ewig zusammen, oder was?«
»Warum nicht?«, sagt Steffen.
Diese elenden wackelnden Löckchen. Diese goldbraunen Grillmaxe. Dem Jungen brennt immer noch nichts an. Frank sagt: »Ja wie, warum nicht? Weil man sich austoben muss, wenn man jung ist! Dinge ausprobieren. Partner ausprobieren. Sich die Hörner abstoßen!«
Steffen sieht ihn fragend an. Das kann doch nicht wahr sein, dass er einem Neunzehnjährigen erklären muss, dass man nicht sofort mit der ersten Freundin zusammenbleibt!
»Was ist, wenn sie Kinder kriegt? Jetzt?«
»Dann ist es so«, sagt Steffen.
Frank spürt, wie ihm Hitze unter die Ohren steigt.
»Dann ist es so??? Aber, so jung ist man noch nicht bereit!«
»Man ist nie bereit«, sagt Steffen. »Was passiert, passiert. Kommt sowieso an den Start, was kommen mag.«
Der will ihn doch provozieren, das Kurzlöckchen. Die Nudelrolle. Frank trippelt mit dem Fuß und beginnt, ein Bier der Marke Rothaus Tannenzäpfle in der Hand, im Gras auf und ab zu laufen.
»Wieso seid ihr so tiefenentspannt? Nehmt ihr alle Ritalin, oder was?«
Steffen schmunzelt wie ein Mönch, wenn der gestresste Gast aus dem Geschäftsleben beim Schnupperwochenende im Kloster bereits am ersten Abend seinen Koller bekommt.
»Kommt sowieso an den Start, was kommen mag!«, zitiert Frank grummelnd seinen Gesprächspartner. »Weißt du, was an den Start kommt, gerade? Der Untergang des Euro, des Dollars, des ganzen Geldes! Fukushima. Afghanistan. Bäume gehen ein. Jobs gehen ein. Alles geht ein. Eure Zukunft. Macht ihr euch keine
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