Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
Einige Besucherinnen drehen sich zu ihnen um, glitzernden Schaum auf den Brüsten. Nasse Haare und Strähnchen, die über dem Auge kleben. Michelle denkt an die Drachenhöhle. Hat Anouar sie gerade angesehen? Sie, unter den vielen schmalen Bikinibräuten?
Mourad und Anouar wissen, wie gut sie aussehen. Sie lassen sich Zeit beim Handtuch ablegen. Was sie nicht wissen, ist, wie sehr ihre Füße stinken, da sie nicht geduscht haben. Sie machen sich darüber keine Gedanken. Keiner der Männer dort oben in den Umkleiden hat vorm Reingehen geduscht. Sie alle denken: Sixpacks müssen reichen.
Merke ➙ Wenn Männer ins Hallenbad gehen, duschen sie entweder gar nicht oder drücken nur kurz den Knopf fürs Wasser und laufen eine halbe Sekunde lang durch den Brausestrahl.
DJ Lassiter beobachtet sein Partyvolk in den blauen Wellen unter sich. Buntes Licht, laute Beats, spritzende Hormone. Hundert Körper dicht an dicht im Wasser, Luftmatratzen und gelbe, straff aufgepumpte Inseln mit Griffen, auf denen sonst die Kinder durch die Wasserrutsche zischen und die heute von den Feiernden benutzt werden dürfen. Eben schreiten hinten zwei neue Stiere ins Wasser. Gut aussehende Südländer. Ein kleiner hektischer Flirtmeister und ein großer Charmeur mit Flammentattoo auf der Schulter. Sie suchen sich sofort ein paar Hühner aus. Eines davon ist hager wie eine reduzierte Viertelkeule aus der Kühltheke, aber die andere ist wohlgenährt und lenkt den Blick des Großen fast ohne eigenes Zutun auf ihre mächtigen Brüste. Die Schaumkanone schießt eine neue Ladung. DJ Lassiter geht zum Track »Swimming Pools« von Kendrick Lamar über. Das kann er bei einer Schaumparty nicht lassen. Langsam steigt ihm ein säuerlicher Gestank in die Nase. Er kennt ihn, da er öfter in Feuchtgebieten auflegt. Es ist der Fußschweiß der Stiere. Den ganzen Tag sind sie in zwei Tage alten Socken herumgelaufen, und nun mischt sich der Sohlenkäse mit dem kalten Wasser auf den Fliesen und Gängen, die sich außerdem nach und nach mit den kleinen, schwarzen Flusen füllen, die zwischen den Zehen von den Socken übrig geblieben sind. Von hier oben sieht es aus, als bekomme die Architektur die Pocken. Die Kids im Wasser bemerken es gar nicht, nicht mal die Mädchen, obwohl sie sich duschen bevor sie reinkommen. Sie sind zu rollig. Und noch betäubt das Chlor ihre Nasen. DJ Lassiter ist nicht rollig. Er arbeitet. Und er ahnt, wie es weitergeht. Stoisch weiter mit dem Oberkörper zur Musik wippend, den Kopfhörer um den Hals, beugt er sich unters Pult und zieht seine Schaumparty-Utensilien hervor. Eine Schwimmbrille und eine Nasenklammer. Die Schwimmbrille ist bloß Tarnung, damit die Nasenklammer wirkt wie ein Scherz. Das Mädchen mit dem vielen Holz vor der Hütte und der tätöwierte Tunesier, der nicht mehr von ihrer Seite weicht, zeigen zu ihm rauf. Ha, ha, sagen sie jetzt wahrscheinlich, guck mal, der DJ hat sich eben als Sportschwimmer verkleidet. Genau, ihr Süßen, das habe ich. Die Nasenklammer sperrt den Gestank der Stiere aus. Ab jetzt wird nur noch durch den Mund geatmet.
Merke ➙ Männer denken nicht nur: Warum soll ich mich vorher duschen, wenn ich doch eh gleich ins Wasser gehe? Sie denken auch: Warum soll ich fürs Pinkeln aus den Wellen steigen, wo hier gerade so gut Party ist? Und: Warum soll ich mir ein Taschentuch holen, wenn ich auch eben kurz untertauchen kann?
Herr Recke hat den besten Job des Abends. Dachte er. Herr Recke ist von der Marketingabteilung des Bads und darf die Fotos von der Schaumparty machen. Er hat eine Unterwasserkamera dabei und motiviert zwei Mädchen und ihre südländischen Freunde, mit ihm unterzutauchen und in den Fluten mit offenen Augen lachend die aufgestellten Daumen in die Kamera zu halten. Herr Recke darf tauchen und nutzt das weidlich aus. Wie ein Rochen gleitet er heimlich über den Boden, tief unter den strampelnden Beinen der Frauen hinweg, und genießt den Anblick. Leider wird dieser durch die Männer getrübt. Als Herr Recke sich dreht, taucht genau neben ihm einer unter, hält sich das linke Nasenloch zu, schließt die Augen und pustet aus dem rechten den Inhalt ins Wasser. Gelber Schleim entweicht mit Hochdruck dem im Vergleich zu seinem Verhalten grotesk attraktiven Gesicht und bremst sofort ab, sobald er das Nasenloch verlassen hat, wie die Kotze eines Astronauten im schwerelosen Raum. Herr Recke flüchtet und taucht rochenschnell in einen Nebenarm der Badelandschaft. Ein Tampon schwimmt an ihm
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