Überleben auf Partys: Expeditionen ins Feierland (German Edition)
ein Nullvierbecher alle sieben Minuten!«
Lukas schaut Malte an, als warte er auf Applaus.
Es prasselt erneut. Die Plane wölbt sich ein Stück nach innen.
Malte schüttelt den Kopf. Im Normalfall würde er die Jungs da draußen sogar ein wenig beneiden. Saufen ohne Stoppschild ist immer eine feine Sache. Er sollte eigentlich mitmachen, denn schließlich ist er es, der heute volljährig wird. Und wie heißt es so schön unter Männern? Ein 18. Geburtstag, an den man sich erinnern kann, darf als gescheitert betrachtet werden.
Aber Malte hat heute Besseres vor. Er hat erst zwei Nullvierbecher getrunken, also einen alle fünfundvierzig Minuten. Er braucht heute keinen Rausch, sondern nur etwas Mut. Viel Mut. Er möchte den Abend nicht damit beenden, sich die Kohlensäure mittels Hochdruck durch die Nasenlöcher zu schießen. Er plant seinen ersten Kuss mit Swantje. Der rothaarigen, unglaublichen Swantje, die seit der zehnten Klasse seine Freundin ist. Im Sinne von: beste Freundin. Und genau das soll sich endlich ändern, in dieser Nacht, denn seit heute ist er ein Mann.
Merke ➙ Ein 18. Geburtstag ist für jeden männlichen Teilnehmer ein Wettbewerb in kompromissloser Druckbetankung. Außer, es ist Liebe im Spiel.
Malte ist dankbar.
Und überrascht.
Als sein Vater sagte: »Ich steche nur das erste Fass an, danach sind wir sofort weg!«, hätte er nicht für möglich gehalten, dass seine Eltern danach wirklich sofort weg sein würden. Sie trinken »ein Weinchen« bei den Nachbarn, »damit ihr eure Ruhe habt«. Sein Vater hat das Festzelt am Mittag vom Partyservice Schwartländer kommen lassen und mit den eigenen Händen aufgebaut. Als die Gäste kamen, stand er strahlend vor dem Bierfass, den Gummihammer in der einen und den Zapfhahn in der anderen Hand, und trug dabei eine Schürze, auf der die Bauchmuskeln von Herkules aufgedruckt waren. Das war schon etwas peinlich. Aber jetzt sind seine Eltern tatsächlich verschwunden.
Nur Lukas steht immer noch vor dem Klapptisch. Er schaut zur Zeltwand und wartet. Fast, als zähle er ab. In der Anlage, an der ein iPod klemmt, spielt Peter Fox drei Basstakte. Dann wölbt sich die Plane unter Joachims Nasenbierbeschuss ein drittes Mal nach innen.
Lukas ist begeistert: »Boah, der Joachim, der lässt sich das Bier heute richtig schön durch den Kopf gehen!« Er zieht sein Smartphone aus der Tasche. »Genau! Ich nehme das schnell für YouTube auf und schreibe dann als Titel: Man sollte sich immer alles gut durch den Kopf gehen lassen!« Er rennt raus, völlig euphorisch.
Swantje sagt: »Sie sind alle fünfzehn.«
»Ja …«, nickt Malte und freut sich innerlich, denn das heißt, er ist es für sie nicht mehr. Nicht mehr nur der niedliche Malte, dem man alles erzählen kann, sondern endlich ein Mann. Volljährig. Kusstauglich. Er spürt, dass das nicht nur einseitig ist. Er hat in den letzten Wochen trainiert. Muskeln. Ein besserer Gang. Swantje stößt mit ihm an. Nachher wird er mit ihr rausgehen. Zwischen die Kiefern. Durch das Viertel. Was auch immer. Weg von der Party. Zu zweit sein.
»Mach mal Metal!!!«, grunzt Joachim, torkelt zum iPod, daddelt mit seinem dicken Daumen an den Tasten und landet in der Liste lediglich bei den Toten Hosen mit ihrem Gassenhauer »Tage wie diese«. Er stockt kurz, zuckt mit den Schultern, dreht sich herum, grölt »Geht auch!« und legt sich unter das Fass. Lukas dreht den Hahn auf. Joachim öffnet den Mund und macht ihn die nächsten drei Minuten einfach nicht wieder zu. Starr liegt er da unter dem goldgelben Gerstenfluss und schluckt nicht mal. Das Bier fließt einfach aus Mundwinkeln, Nasenlöchern und Ohren wieder heraus, als sei der ganze Schädel hohl. Lukas filmt mit seinem Telefon und johlt: »Sich alles gut durch den Kopf gehen lassen, Teil zwei!« Am Knabbertisch hebt einer aus der zwölften Klasse die Schale mit den Chips an und kippt sie vollständig in den Nudelsalat. Ein anderer hat von irgendwoher einen Fußball aufgetrieben, ballert ihn Vollspann durch das Festzelt und schießt damit eines der Mädchen, das sich gerade mit seinen Freundinnen unterhält, mitten im Satz von der Sitzbank. Es ist nach elf. Maltes Eltern sind immer noch unterwegs.
Merke ➙ Spätestens nach drei Stunden Partydauer verbinden sich sämtliche bereitgestellten Nahrungsmittel zu einem einzigen großen Brei.
Gegen halb eins sieht Malte seine Eltern heimkommen. Er steht gerade mit Swantje vor dem Zelt, das Herz bereits beschleunigt und das Hirn
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