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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Pieper
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was sie verdienen. Und wenn eine Strafe – in diesem Fall das Trauma – verdient war, dann kann man die Symptome auch nicht so leicht ablegen.
    VI. »Ich kann Menschen vertrauen und sie einschätzen.«
    Wir brauchen alle Vertrauen, sonst wird das Leben zur Hölle. Eine fundamental wichtige Grundlage für einen erfolgreichen, guten Lebensverlauf ist das »Urvertrauen«. Schon in den ersten Wochen und Monaten lernen Babys, dass sie der Mutter oder einer anderen Bezugsperson vertrauen können, die ihre Grundbedürfnisse nach körperlicher Nähe, Sicherheit, Geborgenheit und Nahrung befriedigt. Daraus entsteht das Gefühl des Urvertrauens, das »Gefühl des Sich-verlassen-Dürfens«. In dieser prägenden Phase entsteht eine Grundhaltung, die sich durch das ganze weitere Leben zieht und uns Sicherheit gibt. Er entwickelt die Überzeugung, anderen Menschen – auch Fremden – vertrauen zu können und diejenigen, die er kennt, richtig einschätzen zu können. Neugeborene, die dieses Grundgefühl aufgrund negativer Lebensumstände nicht aufbauen können, entwickeln Ängste und Misstrauen und haben es sehr schwer, im Leben zu bestehen.
    Einen Menschen, der dieses Urvertrauen besitzt, kann so schnell nichts erschüttern, selbst wenn er auf unfreundliche, unangenehme oder aggressive Personen trifft. Auch bei der Bewältigung von Extremsituationen wie Unfällen oder Naturkatastrophen wird ihm dieses Urvertrauen helfen, den Schmerz und die entstandenen Probleme schneller und effektiver zu bewältigen.
    Bei einer von Menschenhand verursachten Gewalttat indes, etwa einem Mord oder einer Vergewaltigung, kann sich das Gefühl, anderen Menschen vertrauen und sie einschätzen zu können, ins Gegenteil verkehren. Auch bei Menschen, die ein gesundes Urvertrauen hatten, kann das passieren. Gewalt, die von Menschen ausgeht, führt vielleicht zur tiefsten Verunsicherung überhaupt. Im Extremfall gipfelt sie in der Überzeugung: »Ich kann niemandem mehr vertrauen und ich kann vor allem meiner eigenen Einschätzung nicht mehr vertrauen!«
    Ist das Grundvertrauen in andere Menschen erst einmal so stark erschüttert, wird es für den Betroffenen natürlich auch sehr schwierig, therapeutische Hilfe anzunehmen.
    Wenn die oben genannten Grundannahmen ins Wanken kommen, sind die betroffenen Menschen vollkommen verunsichert. Die Basis des Sicherheitsgefühls ist zerstört und die Dinge, die einem bisher zur Grundorientierung dienten, gelten plötzlich nicht mehr. Betroffene glauben, niemandem mehr trauen zu können, empfinden ihr Selbst beschädigt, zweifeln an ihrer Selbstwirksamkeit und je nach Fall an ihrer Kompetenz, die Familie oder sich selbst schützen zu können. Sie fühlen sich ungerecht behandelt vom Schicksal, bewegen sich in der Welt nicht mehr sicher und glauben, dass jederzeit wieder etwas Schreckliches passieren könnte. Sie ziehen sich zurück, weil sie sich unverstanden fühlen, und leiden unter vielfältigen Ängsten.
    Es ist kein Wunder, dass diese Menschen sagen, es sei nichts mehr wie vorher, weil alles, worauf sie bis zum Zeitpunkt der Erschütterung gebaut hatten, zusammengebrochen ist.
    Aber wie können wir uns davor schützen?
    Die einfachste Lösung wäre, nicht in Extremsituationen zu geraten, nichts Lebensbedrohliches zu erleben, nie in eine traumatische Situation zu gelangen. So sehr ich Ihnen und mir das wünsche, es ist leider unrealistisch. Statistisch gesehen sind in Deutschland 0,5 Prozent der Bevölkerung von einer schweren Katastrophe betroffen, 1,3 Prozent werden Opfer einer Vergewaltigung, in schwere Unfälle sind 7,5 Prozent verwickelt, körperliche Gewalt erleiden 9,6 Prozent. Objektiv betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit, eine traumatische Situation zu erleben, also relativ gering – aber sie ist vorhanden. Zum Vergleich: Von der Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt zu erleiden, sind laut einer Gesundheitsumfrage des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2009 7,8 Prozent der Bevölkerung betroffen (mehr dazu unter www.gbe-bund.de ). Bei dieser Krankheit tun wir viel für die Prophylaxe, von Tipps zur Ernährung über Sportprogramme, die von den Krankenkassen bezahlt werden, bis hin zu medikamentöser Behandlung von Bluthochdruck. Auf eine mögliche Traumatisierung bereiten sich indes die wenigsten Menschen vor. Dabei gibt es durchaus sinnvolle Maßnahmen. Eine davon könnte beispielsweise darin bestehen, unsere lebenstragenden Grundannahmen auf den Prüfstand zu stellen. Mein Tipp dabei ist, diese nicht

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