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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Pieper
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zuhört, was eine Natascha Kampusch von ihrer Gefangenschaft berichtet oder was Menschen erzählen, die Flutkatastrophen, Erdrutsche oder Brände überlebt haben, wird im Notfall schneller reagieren können.
    Wir können unser Gehirn durch die Auseinandersetzung mit derartigen Szenarien trainieren wie einen Muskel und uns darin üben, bei Gefahr nicht vollkommen überrascht und panisch zu reagieren. Wie ein geübter Fallschirmspringer, der die Empfindungen während des Sprungs, die Geräusche, den Druck des Windes, das Gefühl des Fallens usw. genau kennt und sich ganz darauf konzentrieren kann, eine gute Landung hinzulegen. Selbst wenn ihm plötzlich Bäume oder Häuser in den Weg geraten, wird er – anders als ein unerfahrener Anfänger – die Ruhe und Überlegtheit haben, sicher zu landen.
    Natürlich ist jede Krise anders als eine vorherige. Aber wenn wir über eine gewisse Krisenkompetenz verfügen, werden wir weniger hilflos sein und ein deutlich größeres Gefühl der eigenen Kontrolle über die Situation haben. Natürlich sollen Sie sich jetzt nicht hinsetzen und jedes erdenkliche Horrorszenario haarklein durchdenken. Was ich meine, ist Folgendes: Wenn man sich vor Augen führt, was der Mensch alles bewältigen kann, stärkt das unser Gefühl der Selbstwirksamkeit. Wir sind nicht der hilflose Spielball böser Mächte, sondern können den Ball aufnehmen und seine weitere Richtung beeinflussen. Sofern wir uns Zeit nehmen, die Situation zu analysieren, und logisch, nicht rein emotional-impulsiv reagieren.
    Dass dies im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden kann, habe ich selbst am Beispiel des Grubenunglücks von Borken erlebt, das ich später noch genauer schildern werde. Für den Moment sei nur so viel gesagt: Die sechs überlebenden Kumpel der Katastrophe verdankten ihr Leben einem Bergmann, der nach der Explosion unter Tage gegen den ersten Impuls entschied, zum Ausgang des Stollens zu laufen. Er war in der Lage gewesen, inne zu halten und zu erkennen, dass auf dem Weg dorthin die tödlichen Gase lauerten.
    Krisenkompetenz zu erlangen bedeutet also, sich mental auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass man in eine traumatische Situation geraten könnte, und so im Gehirn Bahnungen herzustellen, auf die man im Ernstfall schneller zugreifen kann. Denn das, was wir schon einmal im Geiste durchdacht haben, ist nicht verloren, sondern bleibt gespeichert und kann so bei Bedarf abgerufen werden. Oder um das Bild vom Leben als Fluss wieder aufzunehmen: Wer sich darüber im Klaren ist, dass Untiefen nun einmal vorkommen können, wird vorbereitet sein (um im Bild zu bleiben: sozusagen eine Karte des Gewässers mit sich führen) und so besser navigieren können.

Zweiter Teil:
Wenn unsere Welt aus den Fugen gerät
    Panta rhei – Alles bewegt sich fort und nichts bleibt
    Heraklit

4. Wie sich Profis auf Gefahrensituationen vorbereiten
    Für Angehörige bestimmter Berufsgruppen – etwa Polizisten, Feuerwehrleute, Soldaten, Sanitäter und Notfallärzte oder Einsatzkräfte des technischen Hilfswerks – gehört die theoretische Auseinandersetzung mit Extremsituationen, das gemeinsame Durchdenken schlimmer Szenarien und die Vorbereitung auf einen Einsatz zum Alltag. Durch Simulationsprogramme, Filmaufnahmen, Rollenspiele mit Kollegen werden sie so gut wie möglich auf die Situationen vorbereitet, die sie erwarten. Diese Menschen wissen, dass belastende Bilder, Geräusche und Gerüche auf sie zukommen werden und sie während des Einsatzes unter enormem Stress stehen werden. Die gezielte Auseinandersetzung mit Extremsituationen und das Aneignen bestimmter Verhaltensabläufe gewähren einen gewissen Schutz der Psyche. Spezialeinheiten der Polizei trainieren etwa in eigens dafür gestalteten Übungsräumen den Zugriff auf eine Wohnung, in der sich ein Entführer verbarrikadiert hat, oder die Erstürmung einer Schule, in der ein Amokläufer das Leben von Schülern und Lehrern bedroht. Durch diese Trainingseinheiten erlangen sie Routine und können ein Kontroll- und Sicherheitsgefühl entwickeln, das ihnen hilft, in Extremsituationen aktiv zu agieren und nicht selbst zu Opfern zu werden.
    Auch mit imaginativen Übungen können sich Einsatzkräfte oder Katastrophenhelfer auf bedrohliche Szenarien vorbereiten und so ihre Psyche vor Überforderung schützen. Sie begeben sich in Gedanken in eine potenzielle Gefahrensituation, stellen sich möglichst detailgetreu die dazu gehörenden Bilder, Geräusche und Gerüche vor und

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