Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)
auf Extremsituationen herstellen kann, selbst für Profis nicht absolut ist, sondern nur bis zu einem gewissen Grad besteht.
Die meisten Menschen geraten vollkommen überraschend und unvorbereitet in Extremsituationen oder werden mit Schicksalsschlägen konfrontiert. Dann erleben sie in der Regel totalen Kontrollverlust, sind nur eingeschränkt handlungsfähig und getragen vom Gefühl absoluter Hilflosigkeit. Von jetzt auf gleich ist etwas bis dahin Unvorstellbares passiert, etwas, womit sie nie gerechnet hätten, dessen statistische Wahrscheinlichkeit minimal ist und von dem sie glaubten, wenn jemals so etwas passieren könnte, dann nicht ihnen. Das Undenkbare und Unwahrscheinliche ist mit ungeheurer Wucht in ihr Leben getreten. Die Betroffenen sind von den auf sie einstürmenden Eindrücken meist so überwältigt, dass sie kaum oder gar nicht in der Lage sind, rational und vernünftig zu handeln: Sie stehen unter Schock.
Wie schnell und ob sich ein Mensch in einer solchen Situation überhaupt fängt, ob er versucht, seine Situation zu beeinflussen, oder sich ihr passiv und ohne Hoffnung hingibt, welchen Schaden seine Psyche in einer Extremsituation nimmt oder welche Stärken er entwickelt, ist individuell sehr unterschiedlich. In der Psychotraumatologie können wir heute bereits eine Reihe von Risikofaktoren benennen – soziale Variablen und psychologische wie Lebenserfahrung und frühere Bewältigungsstile –, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, später ein Trauma zu entwickeln (dazu mehr in Kapitel 12 über »Bewältigungskiller«). Außerdem kennen wir inzwischen einige Schutzfaktoren, die es uns ermöglichen, ein Trauma nicht nur zu überleben, sondern sogar daran zu wachsen. Aus der genauen Analyse verschiedener Verhaltensmuster von Menschen in und nach Belastungssituationen lassen sich einige Dos und Don’ts zusammenstellen, die nicht nur in Extremsituationen anwendbar sind, sondern die uns helfen können, die täglichen Herausforderungen unseres Lebens wirksamer, optimistischer und effektiver anzugehen.
Ich möchte Sie im weiteren Verlauf des Buches mit einer Reihe von Menschen bekannt machen, die in derartigen Extremsituationen waren: Menschen, die daran zerbrochen sind, und Menschen, die man nur bewundern kann, weil sie enorme Kräfte entwickelt haben, deren Vorhandensein ihnen selbst vorher nicht bewusst war.
Mit diesen Beispielen möchte ich Ihnen zeigen, was wir von diesen Menschen lernen können, falls wir selbst einmal in eine solche Extremsituation kommen, welche Muster es gibt, und wie wir dadurch unsere Kompetenz im Umgang mit alltäglichen Belastungen und Krisen erheblich steigern können. Die Beschäftigung mit schweren Schicksalsschlägen anderer Menschen, die Analyse dessen, warum manche diese bewältigt haben, während andere daran gescheitert sind, kann uns stärker machen für die Herausforderungen des Lebens. Sie kann Verzweiflung in und nach extremen Stress- und Belastungssituationen vorbeugen und sogar Leben retten. Und nicht zuletzt kann sie unsere Wahrnehmungsfähigkeit für die kleinen und schönen Dinge des Alltags, die Wertschätzung der vermeintlich unspektakulären und langweiligen Normalität steigern.
5. Warum wir intuitiv nicht immer das Richtige tun und wie uns unser Gehirn manipuliert
In Situationen der Gefahr und Unsicherheit, in Risikolagen und unter dem Einfluss starker Gefühlszustände neigen wir dazu, Entscheidungen reflexartig »aus dem Bauch heraus« zu treffen. Wir denken nicht wirklich nach, wägen nicht ab. Meistens glauben wir, sehr schnell entscheiden und handeln zu müssen, obwohl das längst nicht immer sein muss. Stattdessen agieren wir intuitiv und begehen dadurch häufig Fehler, die im Extremfall tödlich sein können.
Selbst wenn es um etwas Positives geht, entscheiden wir oft falsch, weil wir Angst haben, etwas zu verlieren. Ein Beispiel dafür ist das Spielchen mit dem Münzwurf: Fällt die Zahl, gewinnt man 75 Euro, erscheint der Kopf, muss man 50 Euro zahlen. Für die meisten Menschen ist die Angst, Geld zu verlieren, entscheidend dafür, sich gar nicht erst auf dieses Spiel einzulassen. Würde man länger darüber nachdenken, würde klar werden, dass die Chance jedes Mal 50 zu 50 steht. Bei mehreren Würfen erhöht sich statistisch gesehen also die Wahrscheinlichkeit des Gewinns. Wir entscheiden »impulsiv« mit dem Bauch, statt überlegt und mit Köpfchen.
Zwei Denksysteme und ihre Folgen
Der israelisch-amerikanische Psychologe Daniel
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