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Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition)

Titel: Überleben oder Scheitern: Die Kunst, in Krisen zu bestehen und daran zu wachsen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Pieper
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dachte, es sei in die Wohnung gekrabbelt, ohne dass sie es bemerkt hätte. Ängstlich durchsuchte sie jeden Winkel, ohne Erfolg. Sie geriet in Panik, und plötzlich schoss ihr durch den Kopf: »Schau mal über das Geländer am Balkon, nur damit du es da unten nicht liegen siehst!« Als sie sich hinüberbeugte, sah sie ihr Kind auf dem Steinboden. Es stellte sich heraus, dass es sich an die Balkonlatten gelehnt hatte, eine davon war morsch gewesen und hatte nicht gehalten. Das Kind stürzte in die Tiefe. Es hatte eine schwere Kopfverletzung erlitten und wurde mit dem Hubschrauber in die Klinik gebracht, wo die Ärzte jedoch nichts mehr tun konnten. Das Kind verstarb in den Armen der verzweifelten Mutter.
    Wahrscheinlich würde jeder von uns nach einem solchen Erlebnis von Schuldgefühlen gequält. Auf der anderen Seite wäre sicher niemand auf die Idee gekommen, in einem neuen Haus mit einem neuen Balkon alle 68 Bretter auf ihre Haltbarkeit zu überprüfen.
    Ein Kind zu verlieren ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann. Es ist das traumatische Ereignis, das psychisch am schwersten zu verarbeiten ist. Wenn man sich dann auch noch für den Tod des Kindes verantwortlich und schuldig fühlt, ist es schwer, überhaupt noch einen Sinn im Leben zu sehen. Das Einzige, was meine Patientin damals noch im Leben hielt, war die Verantwortung für ihr zweites Kind.
    In solchen Fällen ist es wichtig, den Eltern die Sicherheit zurückzugeben, alles Menschenmögliche getan zu haben, um sie von der nagenden Schuld zu befreien. In langwieriger und schmerzvoller Auseinandersetzung mit ihren Schuldgefühlen gelang es dieser Mutter ihren »Bewältigungskiller« zu besiegen. Sie fand neuen Sinn in ihrem Leben, indem sie heute in einem Hospiz sterbende Menschen begleitet.
    Immer wieder kommt es zu Unfällen mit Kindern, die nicht vorhersehbar und somit nicht zu verhindern waren. Das beste Beispiel für unsere Machtlosigkeit in derartigen Situationen ist der plötzliche Kindstod. In Deutschland sterben jedes Jahr rund 360 Kleinkinder vor Vollendung ihres ersten Lebensjahres. Die meisten Eltern wissen, dass es solche Fälle gibt, und versuchen sich davor zu schützen, indem sie die Kinder nicht auf den Bauch legen, kein Tuch oder ähnliche Dinge im Bettchen liegen lassen, mit denen sich das Kind strangulieren könnte. Sie installieren Babyphones, ja sogar Videokameras – und trotzdem gibt es keine absolute Sicherheit.
    Es fällt uns schwer, zu akzeptieren, dass wir hin und wieder machtlos sind, trotz ausgereifter Technik und trotz des Einsatzes all unseres Menschenverstandes nicht in der Lage sind, alles zu beeinflussen, zu lenken und im Griff zu haben. Besonders für unsere westliche Industriegesellschaft scheint mir diese Haltung charakteristisch. Bei allen fantastischen Entwicklungen und technischen Errungenschaften, die uns die Illusion geben, alles unter Kontrolle zu haben, geschieht es schnell, dass wir uns verantwortlich fühlen und Schuldgefühle entwickeln, wenn uns etwas aus den Händen gleitet, wir die Kontrolle verlieren. Gleichwohl müssen wir akzeptieren lernen, dass Dinge geschehen, die so nicht vorhersehbar waren oder so unwahrscheinlich sind, dass sie statistisch gesehen kaum hätten passieren können.
Mutmacher 10
    Identifizieren Sie Ihre persönlichen »Bewältigungskiller« und schlagen Sie sich nicht alleine damit herum. Haben Sie den Mut, darüber mit vertrauten Menschen zu sprechen. Und vor allem: Lassen Sie andere Sichtweisen zu, die Ihre Auffassung korrigieren und zurechtrücken können.

13. Acht Bewältigungsstrategien
    Wenn Menschen nach dem Erleben von Extremereignissen trotz familiärer und sozialer Unterstützung auch Monate danach unter deutlichen Symptomen leiden, die sie allein nicht in den Griff bekommen, ist eine professionell unterstützte, individuelle Aufarbeitung im Rahmen einer Traumatherapie nötig.
    Ich möchte die einzelnen Schritte einer solchen Therapie hier kurz darstellen, damit Sie wissen, was auf Sie zukommen wird, falls Sie sich zu einer solchen Therapie entscheiden. Aber auch für diejenigen, die keine Therapie machen, ist es hilfreich zu wissen, welche Strategien dort gewählt werden, um zumindest Teile davon für seinen eigenen Weg der Bewältigung zu übernehmen. Denn auch in ganz normalen Lebenskrisen, die wir alle zu überstehen haben, kann es helfen, sich an diesen Wirkprinzipien zu orientieren.
    Die grundsätzliche Aufgabenstellung bei einer solchen Therapie lautet: V erstehen

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