Überman
Dorfes in der Eifel gebaut. Fast 30 Jahre lang musste er ständig betriebsbereit gehalten werden. Noch jetzt ist er voll funktionsfähig.‹
Ich stöhne laut und drücke die Spülung.
»Was machst du denn da?«, ruft Annabelle.
»Atombunker!«, antworte ich wahrheitsgemäß und klicke mich über die Seite. Kein Wort vom Weltuntergang, kein Übernachtungsangebot, es gibt lediglich Führungen für Interessierte, die nächste ist morgen, Patienten der benachbarten Eifelhöhen-Klinik erhalten sogar einen Rabatt.
Ich klappe den Laptop zu und mein Hirn auf. Mann, bin ich bescheuert! Denk über Schütteljupp und Dotterblom nach, statt einfach mal 1 und 1 zusammenzuzählen. Alle wollen am 21 . 12 . in irgendwelche Bunker. In der Eifel gibt es einen Bunker. Ich hab kein Auto mehr, aber Phil, und in die Eifel muss er auch zur Reha. Der Bunker liegt laut Google Maps 56 Minuten von Köln entfernt. Und ich Idiot rufe das Hofbräuhaus in Las Vegas an!
Als ich aus dem Klo komme und Phil anrufen will, steht Annabelle bereits in einem umwerfenden Abendkleid im Türrahmen. Was mich so überrascht, dass ich ausnahmsweise mal was Nettes sage. »Du siehst ja fantastisch aus!«
»Und du bist noch nicht mal geduscht!«
»Warum sollte ich?«
»Simon, stell dich nicht so blöd. Unser Taxi kommt in zehn Minuten.«
»Und das fährt uns wohin?«
»Hallo?«
»Hallo!«
»Du hast eben den Trailer gesehen!«
Mir bleibt augenblicklich die Luft weg.
Lurchenkotze-Boarding auf Guantánamo. Meinen Pimmel in heißes Pommesfett tunken. Als Merkel verkleidet in einer griechischen Taverna Euros verbrennen. Alles würde ich lieber machen, als ausgerechnet jetzt in dieses Taxi zu steigen. Warum? Wir haben doch eben den Trailer gesehen …
Let’s Dance!
Es gibt nahezu nichts, was nicht in den MMC Studios aufgezeichnet wird:
Das Supertalent, Die Promi-Koch-Arena, Mein Mann kann
und eben …
Let’s Dance
. Ich hab die Sendung noch nie gesehen, Annabelle dafür jede Folge, und genau deswegen sitzen wir jetzt auch in einem tennisplatzgroßen Studio mit Parkett-Tanzfläche, direkt hinter dem noch unbesetzten Jurytisch. Ein guter Platz, wenn man unbedingt ins Bild will. Ein nicht ganz so guter Platz, wenn man gerade der besten Geschäftsidee überhaupt auf der Spur ist und erst keinen anrufen konnte, weil man mit der Freundin im Taxi saß, und dann, weil es ein Handyverbot im Studio gibt. Ich versuche mich an einer heimlichen SMS an Phil, werde aber binnen Sekunden von einem anabolikagetränkten Anzugträger mit Knopf im Ohr ermahnt, mein Handy sofort wieder wegzupacken.
»Unfassbar, vor was hat er Angst?«, frage ich Annabelle. »Dass ich ein Foto von seiner Preisboxerfresse ins Netz stelle?«
»Er macht nur seinen Job«, flüstert Annabelle und ergänzt: »Hab übrigens ’ne schöne Wohnung gefunden in Geisenheim!«
»Nee! Teuer?«
»So um die sechshundert Euro, glaube ich. Zeig ich dir, wenn wir zu Hause sind.«
»Unbedingt«, flüstere ich zurück, versuche zu lächeln wie ein professioneller Zuschauer und mich zu entspannen. Es wird eine Werbepause geben, in der ich aufs Klo kann und Phil anrufen.
Jetzt kommt aber erst mal die Jury, was alle so toll finden, dass geklatscht wird. Sie besteht aus einem Eisdielen-Kellner im weißen Sakko, einer Südafrikanerin, die allen Ernstes Motsi heißt, und einem gegelten Typen, dessen Namen ich Gott sei Dank nicht verstanden hab. Auch Maite Kelly ist in der Jury, warum, weiß kein Mensch.
»Die hat 2011 gewonnen!«
Okay, Annabelle hat’s gewusst. Ich nicke nur und frage mich, was diese Maite wohl gewonnen haben könnte, weil, wenn ich sie so von hinten sehe, mit Tanzen kann es nichts zu tun haben. Ich schiele auf die Uhr. 20 Uhr 09 . Eine Stunde kleben wir schon auf den harten Plastikstühlen der MMC Studios und die Sendung hat noch nicht mal angefangen. Der uns schon bekannte Warm-Upper, ein schlanker Kerl mit modischer Frisur, der hinter einem Stehmischpult Partymucke auflegt, weist mit Kirmesstimme noch einmal darauf hin, dass wir gleich live bei RTL zu sehen sind und dass es keine Pause gibt. Keine Pause?
»Warum denn keine Pause, was ist denn mit der Werbung«?, frage ich Annabelle.
»Vielleicht lassen sie ja keinen raus, weil’s die Leute dann nicht rechtzeitig zurückschaffen und sonst die Plätze unbesetzt wären.«
»Macht Sinn«, nicke ich und denke mir, warum sollte ich denn auch mal einen winzigen Krümel Glück haben, da brummt es: »Noch zehn!« aus den Lautsprechern
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