Uebermorgen Sonnenschein - Als mein Baby vertauscht wurde
versuchte ich, aus Ralf herauszukitzeln, was sich unsere Freunde wohl als Willkommensüberraschung für Leni und mich hatten einfallen lassen, doch er grinste nur und hielt dicht. In unserem Freundeskreis ist es nämlich seit jeher Tradition, Mama und Kind daheim mit etwas Selbstgebasteltem zu begrüßen. Ich war schon sehr gespannt – immerhin gehört so etwas zu den Highlights einer frischgebackenen Mutter, die die meiste Zeit mit Stillen und Wickeln verbringt.
Schon von Weitem sah ich dann das dunkelrote Plakat, auf dem ein Storch aus Pappe klebte. Darüber stand in großen Lettern »Herzlich willkommen Leni«. Und neben der Haustür empfing uns noch ein wunderhübscher, aus Holz geschnitzter Storch. Ich war gerührt, es sah wirklich niedlich aus. Leni bekam von der Überraschung, die ihr galt, nichts mit, sie schlief seelenruhig in ihrem Maxi-Cosi.
Yara, die sich wahnsinnig auf das Abholen ihrer kleinen Schwester gefreut hatte, wollte sie jetzt endlich auch auf den Arm nehmen. Sie war aber einsichtig und ganz die große Schwester, als wir ihr erklärten, dass sie Leni noch nicht allein halten konnte und die Kleine auch noch ein Mützchen Schlaf brauchte. Wir trugen Leni trotzdem erst mal ins Wohnzimmer, wo ein großer bunter Blumenstrauß für mich auf dem Esstisch stand. Ich strahlte und bestellte bei meinem Mann, der schon fleißig dabei war, Fotos von seinen Töchtern zu schießen, erst einmal einen koffeinfreien Cappuccino.
Nachdem ich Leni in den Stubenwagen gelegt hatte, ließ ich mich auf die Couch fallen und las ausgiebig die Zeitung. Ralf fing mit den Vorbereitungen für das Mittagessen an. Er ist ein leidenschaftlicher Koch, kreiert meist aufwendige Gerichte, die alle Gäste begeistern. Was dabei allerdings niemand sieht, ist der Zustand unserer Küche im Anschluss an seine Kochorgien und dass es meine Aufgabe ist, das Chaos zu beseitigen.
Zum Glück hatte ich noch etwas Schonzeit, und er machte die Küche heute selbst wieder tipptopp sauber.
Es war ein herrlich entspanntes Ankommen zu Hause, und, o Wunder, es blieb auch relativ entspannt. Jetzt ahnte ich, was alle meinten, wenn sie von der Gelassenheit ab dem zweiten Kind sprachen. Bei Yara war ich am ersten Tag zu Hause so aufgeregt gewesen, dass ich sie andauernd beobachten musste und gar nichts anderes tun konnte, nicht mal etwas essen.
Ich hatte das Gefühl, schon zehn Kinder in die Welt gesetzt zu haben. Es durfte so viel Lärm gemacht werden, wie man wollte, denn es war mir wichtig, dass mein Kind auch weiterschlief, wenn es an der Haustür klingelte oder wenn gesaugt wurde. Ich war einmal bei Bekannten mit einem Neugeborenen eingeladen, und man durfte die Klospülung nicht benutzen, sondern musste mit einem Eimer Wasser nachspülen, weil das Baby schlief. Das fand ich einfach nur den Gipfel der Übertreibung, und das war bei uns schon beim ersten Kind anders gelaufen. Aber dieses Mal wollte ich selbst auf einen Pekip- oder Babymassage-Kurs ohne schlechtes Gewissen verzichten. Zu Yaras Zeiten zwang ich mir diese Termine noch auf, obwohl ich mich jedes Mal dahingequält und Yara auch keinen Spaß daran gezeigt hatte. Jetzt würde ich mir die Freiheit nehmen, diese vermeintlichen Verpflichtungen zu ignorieren. Das gäbe ohnehin nur unnötigen Terminstress.
Ich war tatsächlich eine ziemlich entspannte Mama.
Die ersten zwei Wochen hatte sich Ralf Urlaub genommen, um sich um uns zu kümmern. Neben seinem Job als Koch kaufte er fast jeden Tag ein, wickelte Leni und ging oft mit uns zusammen spazieren.
Auch als Ralf dann wieder zur Arbeit musste, gestaltete ich meinen Alltag als zweifache Mutter immer noch ziemlich locker. Denn Leni war ein Traumkind: Sie weinte oder quengelte fast nie, hatte keine Schreistunden wie Yara damals, sie schlief viel, und ich konnte sie überallhin mitnehmen. Wenn ich im Keller die Wäsche aufhängte, lag sie im Maxi-Cosi vor mir und schaute genügsam zu, genauso, wenn ich unter der Dusche stand oder mich föhnte. Sie war absolut unkompliziert und mit allem zufrieden.
Schnell stellte sich ein neuer, wunderbarer Rhythmus ein: Alle vier Stunden brauchte Leni ihre Milchration, nachts hielt sie sogar noch länger durch. Sie hatte exakt den gleichen Rhythmus wie Yara als Baby. Gegen acht Uhr morgens wurde sie dann wach, und ich hatte genug Zeit, Yara das Frühstück zu machen, ihr beim Anziehen zu helfen und sie in den Kindergarten zu fahren. Zum Glück war ich auf keine Hilfe angewiesen. Wenn die Großeltern ihr
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